In Gießen wartete auf Zwangsarbeiter der Tod

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Dieter Bender berichtete über seine Nachforschungen

Großés Interesse fand dieser Tage ein Vortrag von Dieter Bender im Netanyasaal des Alten Schlosses, zu dem der Vorsitzende des Oberhessischen Geschichtsvereins Dr. Michael Breitbach neben dem Referenten erfreulich viele Besucher begrüßen konnte, die sich für das  Thema Gießen , seine Kriegswirtschaft und  ihre Opfer der  Zwangsarbeit interessierten .Breitbach erinnerte daran, dass dieser Aspekt bisher wenig Aufmerksamkeit in der Forschung gefunden habe und daran, dass sich Bender mit seiner ehrenwerten Aktion “Stolpersteine” um die Opfer der Naziherrschaft gekümmert habe.

Der Referent hatte seinen Vortrag in drei Themenbereiche gegliedert, wobei er zunächst auf den neuen Forschungsstand zum Einsatz in Gießen einging, sich ausdrücklich den Opferschicksalen in den Mordlagern widmete und schließlich den Stand der Aufarbeitung aktualisierte. Bender, von Haus aus Computerfachmann , verwies darauf, dass für Gießen 3195 Zivilarbeiter nachweisbar sind, zu denen weitere 680 in Lagern hinzukommen , wobei unter den Kriegsgefangenen viele Russen, aber auch einige Franzosen und Italiener gewesen seien. die nicht alle gleichzeitig in der Stadt an der Lahn  waren .Im Unterschied zu Wetzlar und Lollar sei Gießen kein Industriezentrum gewesen. Unter den Profiteuren der Zwangsarbeit seien auch Firmen gewesen, die nach 1945 weiter existierten, etwa Bänninger, Heyco, Poppe und Zimmer. Besonders stark profitierte die Reichsbahn mit wechselnden Bautrupps .Im Stadtbereich existierten verschiedene Lager, die oft in menschenunwürdigem Zustand waren, wobei den Opfern meist nur mangelhafte Ernährung gegeben wurde, mit den Zuständen der Lager eine weitere Profitmöglichkeit.  Menschenrechte  spielten gemäß der NS-Ideologie keine Rolle, selbst Kinder wurden zur Arbeit gezwungen .An den beiden Beispielen von Anna Owtscharuk und ihrem Söhnchen Iwan und Jania Hryszkiewicz mit dem kleinen Heinrich (!) machte Bender die bestialische Brutalität der Nazis deutlich.

Unter den oft in Verbindung mit kurzfristigen Aufenthalten der Zwangsarbeiter genannten Orten finden sich Namen wie Pfaffenwald, Hersfeld, Herleshausen und Hadamar, meist in Verbindung mit dem Lebensende der ausgebeuteten Arbeitskräfte .Bender bezeichnete die Zwangsarbeit als “das sichtbarste Verbrechen des Faschismus.” Geradezu unglaublich musste es den Hörern erscheinen, dass zwei Nazi-Bürgermeister  sogar noch mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt wurden. Überhaupt sei der Umgang mit diesem schändlichen Kapitel der deutschen Geschichte auch heute noch eher unzureichend. Und das liege nicht daran, dass einige Akten in Russland  schwer, aber nicht gänzlich unzugänglich seien .Viel Beifall für einen Vortrag, der unter die Haut ging und  die anschließende Diskussion belebte.

Dr. Hans-Wolfgang Steffek M.A.