Das Jahr 1968 und der Gießener Professor Horst Eberhard Richter

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Vortrag  des Oberhessischen Geschichtsvereins

Wie schon beim letzten Vortrag über den TV Lützellinden reichten auch diesmal nicht alle Plätze im Netanyasaal des  Alten Schlosses ,um alle Besucher aufzunehmen , die gekommen waren, um den Vortrag des Oberhessischen Geschichtsvereins über das Jahr 1968 und seinen Einfluss auf die Psychoanalyse zu hören.  Begrüßt wurden sie und der Referent Prof. Dr. Hans -Jürgen  Wirth durch den Vereinsvorsitzenden Dr. Michael Breitbach, der einige einführende Worte sprach und den Referenten vorstellte, der 20 Jahre enger Mitarbeiter von Prof. Dr. Horst Eberhard Richter war.  Er war damit , wie Breitbach betonte, Referent und Zeitzeuge zugleich. Zeitzeugen waren auch die meisten Besucher, was die anschließende Diskussion belebte.

Wirth hob hervor, dass sich die 1968er-Bewegung aus vielerlei Motiven speiste wie etwa Umwelt, Frieden und Frauenfragen. Gerade in Deutschland gewann die bis dato nicht erfolgte Diskussion durch die NS-Vergangenheit an Schärfe, wobei nicht selten Kinder gegen die Eltern argumentierten. Der in Frankfurt geborene Referent  betonte das neue Lebensgefühl der 68er-Generation  und verwies auf den damaligen Wandel in Deutschland von der Industriegesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft. Politisch wurde insbesondere der Vietnamkrieg der USA relevant, zudem fanden sich auch Einflüsse durch Marxismus und Maoismus. In der Psychoanalyse  und später auch in der Psychiatrie habe man, so Wirth, stärker auf die gesellschaftlichen Einflüsse geachtet, während vorher allein der Patient im Mittelpunkt der Betrachtung gestanden habe.

Unter Horst Eberhard Richter sei der Blick statt auf den Patienten auch auf seine Familie und sein gesellschaftliches Umfeld  gerichtet worden, der gesellschaftliche Einfluss und seine Wechselwirkung auf die Psychoanalyse habe gebührende Berücksichtigung gefunden. Lernziel “Solidarität” und ” Gruppendynamische Prozesse ” führten dazu, dass vom “Labor Gießen” und vom “Gießen Test” die Rede war. Wirth verwies auch darauf, dass “Hippies und Psychos” ein nahezu identisches Wertesystem hatten ,was Thema einer seiner Veröffentlichungen gewesen sei. Selbst aktiv sei Richter dann seit 1973 in der Initiativgruppe Eulenkopf geworden ,einer Stadtrandsiedlung, in der noch “Einfachstwohnungen” ohne Dusche existierten. Hier seien bemerkenswerte Veränderungen angestoßen wurden.

Wirth erinnerte auch an Richters Engagement in der Friedensbewegung, seine guten Kontakte zu Willy Brandt und den DDR-Auto Stefan Heym und daran, dass Horst Eberhard Richter als einer von 140 Geehrten ,die für Abrüstung eintraten,  mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.

Für seinen akademischen Vortrag, in dem auch Richter durch einen HR-Filmbeitrag zu hören war, erhielt Wirth viel Beifall. Er versprach, zu einem anderen Zeitpunkt  gerne noch mehr zu berichten.