Im Juli 2021 wurde das Ahrtal überflutet; über 40.000 Menschen sind betroffen und es wird noch lange Hilfe notwendig sein, um das Leben wieder in gute Bahnen zu lenken.
Diese Spendenwanderung ist für eine Familie im Flutgebiet bestimmt, die an Spinocerebelläre Ataxie Typ 7 erkrankt ist.
Karin Rühl aus Grünberg, Marina Götz aus Langen, Jörg Brindl aus Nidderau, Ulrich Wilhelm aus Winnen, Stefan Rohr aus Mühlheim/Ruhr und der Organisator Daniel Mandler aus Lollar Odenhausen haben sich, neben vielen anderen Teilstreckenwanderern, für das Wochenende 17.01.-18.01.2025 viel vorgenommen: 150 Kilometer bis zum Marktplatz Ahrweiler, knapp 3.000 Höhenmeter in 40 Stunden sollen bei bis zu -7° C zu bewältigen sein.
Ein Abend davor:
Die Kleidung liegt bereit, der Rucksack ist gepackt und ein kohlehydratreiches Abendessen ist verspeist. Das Vorhaben spätestens um 21 Uhr schlafen zu gehen schlägt fehl und so bleiben bis zum Weckeralarm um 4 Uhr vielleicht 5 Stunden Schlaf. Kaffee und ein leichtes Frühstück treiben die Gedanken an: hab ich wirklich alles dabei, welche Leute erwarten mich gleich am Start, hält die Powerbank? Noch eben schnell das Eis von der Windschutzscheibe kratzen und los geht es Richtung Lollar-Odenhausen.
Mit 10 anderen Spendenwanderern geht es kurz nach 6 Uhr auf die Tour ins Ahrtal.
Schon nach den ersten 10 dunklen und recht kalten Kilometern, wird mir klar – das wird kein Zuckerschlecken! Die vereisten Waldwege in recht tiefen Kuhlen sind schlecht zu gehen und nicht nur einmal spüre ich ein Ziehen in den überdehnten Fußsehnen!
Ursprünglich sind Sonne mit Temperaturen um den Gefrierpunkt gemeldet, allerdings hält sich ein feuchter, dichter Nebel durch die komplette Wanderung. Lediglich einige wenige lichte und schöne Blicke gibt es in der zweiten Hälfte der Tor(tour)zu sehen.
Die geräuschvolle Winterkulisse unter den Füssen hat zwar durchaus seinen Reiz, die Aussicht auf viele, sehr viele Stunden auf vor- und umsichtiges Wandern macht meiner doch sonst eher gut gelaunten Stimmung einen Strich durch die Rechnung. Immer wieder schlittere ich auf gefrorenen Pfützen, verfange mich in Ästen, die durch den Nebel schlecht zu sehen sind und verliere dabei das Gleichgewicht. Bloß nicht hinfallen! Selten habe ich innerlich so oft geflucht; eine Schönwetterwanderung geht anders 🙂
Die erste geplante Pause nach 36 Kilometern in Edingen – eine liebe Wanderfreundin verpflegt uns mit vielen Leckereien und gut gestärkt geht es weiter auf die Eispiste. Wandersleute sind gesellige Menschen, so geht die Zeit bis zur nächsten Verpflegungsstation in Rennerod nach knapp 60 Kilometern in munterem Geschnattere weiter. Eine nötige Pause in einem wohl temperierten Sparkassenvorraum bringt neue Energie und gute Laune.
Wieder die Stirnlampe auf, die Mützen richten, Handschuhe stülpen und hinaus in die eiskalte Nacht. Ich freue mich auf die nächsten 55 Kilometer – meine Freundin Yvonne Weissenborn aus Freienseen, die mich vor 4 Jahren zu meinem ersten 100 km Marsch auf der letzten Teilstrecke begleitet hatte, ist zu diesem Zeitpunkt eine gute Stütze. Die Wandermeute ist still, sehr still – jeder trabt vor sich hin und hofft auf den nächsten Morgen. 2 Uhr nachts, irgendwo im nirgendwo – Kilometer 82 in Freilingen. Ein Camper von befreundeten Wanderern , ein Vorzelt, Sitzgelegenheiten und eine warme Suppe – das tut so unglaublich gut! Mit frischen Socken und Schuhen geht es schon fast mit Elan nach einer 40 minütigen Pause weiter. Zu sehen gibt es leider nichts: doch – Nebel! Das Trinken gestaltet sich unterwegs als sehr schwierig, Eiskristalle im Mund fühlen sich bei dieser klirrenden Kälte einfach furchtbar an.
Da ist er, der lang ersehnte Morgen und eine weitere Pause in Dierdorf bei Kilometer 94. Es ist schon erstaunlich welche Lebensgeister ein heller Tag in einem wecken kann. Ein kurzes Innehalten und die Frage wie es mir geht lässt mich zügig weiter wandern. Keine Blasen, keine Schmerzen – und mir war klar, dass ich auch diesmal die Strecke schaffen kann. Kilometer 115 und das Gasthaus Paganetti in Verscheid ist erreicht. 1,5 Stunden aufwärmen, Kaffee, Suppe und viele andere Köstlichkeiten genießen. Und endlich hat auch Petrus ein Herz mit uns – einige Stunden zarte Sonnenstrahlen zaubern uns einen Märchenwald mit Bachlauf, verwunschene Pfade und Haareis, soweit das Auge schauen kann.
Vater Rhein bei Kilometer 132 und die gefürchtete Fährfahrt von Linz nach Kripp steht uns bevor. So wie in den vorangegangenen Jahren auch bekomme ich zittrige Beine. Ich habe es überstanden und wieder wartet eine mobile Verpflegungsstation auf uns. Dankbar schlürfen wir warme Suppe und füllen Vorräte auf. Sehr lange können wir uns nicht aufhalten, die Kälte zieht sich unter die Klamotten und macht das Weiterwandern schwierig. Noch 15 Kilometer. Noch 4 Stunden. Noch durchhalten.
Da ist sie, die Ahr! Es ist schlecht vorstellbar, welche Kräfte hier vor 3,5 Jahren gewaltet haben müssen – ein kleiner Fluss schlängelt sich durch das Tal und bringt so viel Unheil. Ich bin ganz bei mir, sondere mich von unsrer kleinen Gruppe ab und lasse meinen Emotionen freien Lauf.
Gemeinsam mit Daniel und Ulrich habe ich 151 Kilometer in knapp 41,5 Stunden zurückgelegt – dies wäre ohne die vielen anderen Wegbegleiter und Muntermacher nicht möglich gewesen.
Die flutbetroffene und leider erkrankte Familie kann sich über eine Spendensumme in Höhe von €4.565 freuen. Wer weiter spenden möchte, das Konto bei „Kohle fürs Ahrtal“ ist weiter geöffnet.
Ich sage allen Spendern recht herzlichen Dank, Danke auch an meine Mitwanderer, die meine Launen ertragen haben. Danke den aufmunternden Worten meiner Lieben zu Hause und Danke an meinen Körper, der diese Strapazen mitmacht.
Ob ich im Winter ein viertes Mal für einen guten Zweck ins Flutgebiet wandere? Definitiv nicht! Alle Guten Dinge sind drei und der Westerwald hat so viel Schönes zu bieten als dass ich nur Dunkelheit sehe. Danke Daniel für die letzten 3 Jahre!
Im Rahmen der iron lake challenge Hessen findet am 12.4.2025 eine Ederseeumrundung statt, zu der geübte Wanderfreudige herzlich eingeladen sind. Fragen hierzu unter 01577-2190183.