Schichtwechsel zwischen Lebenshilfe Gießen und Kinopolis eröffnet neue Perspektiven
Gießen – Im Rahmen des bundesweiten Aktionstages Schichtwechsel tauschten am 10. Oktober 2024 rund 4.200 Menschen aus 300 Werkstätten und Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes ihren Arbeitsplatz. Zwei davon waren Christine Schmidt, Mitarbeiterin der Lebenshilfe Gießen und Janina Wiedenroth, Assistentin der Betriebsleitung des Kinopolis in Gießen. Die beiden verbrachten den gesamten Tag miteinander und zeigten sich ihre Arbeitsplätze in der Kantine der Reha-Werkstatt Mitte und im Kinopolis. Vormittags half Wiedenroth bei der Essensausgabe und bediente die Kasse. Nebenbei lernte sie sämtliche Produktionsbereiche in der Reha-Werkstatt kennen. Sie zeigte sich beeindruckt von der arbeitsteiligen Zusammenarbeit in allen Bereichen der Werkstatt: „Hier gibt es für jeden eine Arbeit, die zu seinen Fähigkeiten passt. Die verschiedenen Aufgaben sind in einzelne, nachvollziehbare Schritte gegliedert, sodass es leicht ist, in den Arbeitsprozess einzusteigen.“
Inklusion benötigt Aufgeschlossenheit auf beiden Seiten: „Arbeitgeber des allgemeinen Arbeitsmarktes scheuen oft davor zurück, Menschen mit Handicap einzustellen, weil sie nicht wissen, was diese benötigen. So sind es gerade die klar gegliederten Arbeitsprozesse mit einzelnen Arbeitsschritten, die nicht nur Menschen mit Behinderung den Einstieg in eine neue Arbeit erleichtern“, erläuterte Dirk Oßwald, Vorstand der Lebenshilfe Gießen, der den Schichtwechsel am Abend im Kino besuchte.
Christine Schmidt arbeitet seit 2015 in der Reha-Werkstatt Gießen Mitte. Sie liebt ihre Tätigkeit bei der Lebenshilfe, ist aber immer auf der Suche nach neuen Impulsen. Deswegen hat sie sich auch für den Schichtwechsel beworben und wurde vom Gesamtwerkstattrat – das ist die Mitarbeitervertretung der Werkstattbeschäftigten – ausgewählt. Zum Aktionstag hat Schmidt eine klare Haltung: „Der Schichtwechsel soll dazu beitragen, dass Menschen ohne Behinderung ihre Hemmungen vor der Zusammenarbeit mit uns ablegen. Wir wollen nicht mit Samthandschuhen angefasst werden. Ich möchte so angenommen werden, wie ich bin. Ich möchte normal behandelt werden.“
Am Nachmittag lernte Christine Schmidt alle Arbeitsbereiche des Kinopolis’ mit seinen neun Sälen und insgesamt 1.355 Plätzen kennen. Das gesamte Kino ist barrierefrei begehbar und durch Unterstützung der Greta App können auch Audiodeskriptionen bei Filmen angeboten werden. Schmidt konnte in alle Bereiche hineinschnuppern: Kinokasse, Popcorn-Bäckerei, Süßigkeitenlager, Vorbereitungsküche, Getränkeabfüllanlage, Verkaufstheke und Technikräume. Am meisten beeindruckte sie die Popcorn-Bäckerei. Hier wird an fünf Tagen die Woche Popcorn hergestellt. An publikumsstarken Tagen wie dem Kinofest Anfang September gehen schon mal 1.000 Kilo frisches Popcorn über die Theke.
Es ist diese Klarheit, mit der Christine Schmidt alle für sich einnimmt. Auf die Frage, wodurch sich Christine auszeichnet, antwortet ihr Vorgesetzter Meik Oliver Schneider prompt. „Ihre straighte Art. Wenn Christine sich ein Ziel setzt, verfolgt sie es knallhart.“ Neben der Arbeit in der Werkstatt in zwei verschiedenen Teams und einem Praktikum an zwei Tagen die Woche im Gefahrenabwehrzentrum schreibt Schmidt an ihrer Autobiografie. Hierbei bekommt sie Unterstützung vom Büro für Einfache und Leichte Sprache der Lebenshilfe, denn es gibt kaum Texte, die Menschen mit Handicap selbst geschrieben haben. „Das will ich ändern. Ich möchte Menschen mit Handicap eine Stimme geben“, sagt Schmidt.
Der nächste bundesweite Schichtwechsel der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen findet am 25. September 2025 statt. Heimische Firmen, die ihren Arbeitsplatz mit einem Werkstattbeschäftigten der Lebenshilfe Gießen tauschen möchten, können sich an Kerstin Ahrens wenden: k.ahrens@lebenshilfe-giessen.de
Eine kleine Social-Media-Reportage über den Schichtwechsel in Gießen findet sich auf dem Instagram-Kanal der Lebenshilfe Gießen (Link).