Wie Lindenstruth vom Durchgangsverkehr befreit werden kann (Perspektivpapier Nr. 1 zum Streitfall „B49- Neubau“)

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Verkehrsschild gegen B49-Neubau

Verkehrswende-Aktive schlagen Alternativen zum Neubau der B49 vor

Vor drei Wochen veröffentlichten Verkehrswende-Aktive Zahlen, nach denen der geplante Neubau der Reiskirchener Südumgehung auf fehlerhaften Verkehrsprognosen beruht und deshalb gestoppt werden müsse. Jetzt legen sie mit einer Liste von Maßnahmen nach, um den Autoverkehr auf der Durchgangsstraße von Lindenstruth deutlich, schneller und billiger zu reduzieren. „Wir haben nie Zweifel daran gelassen, dass wir die Belastung der Anwohner*innen ernst nehmen und reduzieren wollen – aber nicht auf Kosten des schönen Jossollertales und anderer Menschen“, heißt es aus dem Kreis derer, die in den vergangenen Wochen auf mehreren Veranstaltungen ihre Recherchen zu den Fehlern und fatalen Folgen der B49-Neubauplanung präsentierten. Sie fürchten vor allem den bekannten Effekt insgesamt weiter wachsender Verkehrsmengen durch Straßenneubauten. Ihre Vorschläge könnten den Verkehr auf der B49 in Lindenstruth schneller und besser verringern als der aufwändige Neubau.

 

Autoverkehr aus Grünberg auf A5 umleiten

Der größte Teil des Autoverkehrs, der Lindenstruth durchfährt, stammt aus Grünberg. Laut der offiziellen Zählung mit Befragung der Ziele erreichten 3061 Autos den westlichen Ortsrand von Grünberg, aber nur 1527 fuhren im Osten wieder aus dem Ort heraus, davon wiederum zwei Drittel Richtung Mücke (siehe Abbildung aus den Planunterlagen). Dieser Verkehr könnte, soweit er Reiskirchen zurzeit nur durchfährt, auch die A5 nutzen (Verkehr, der Reiskirchen zum Ziel hat, verbleibt – würde aber auch bei einem B49-Neubau die alte Trasse nutzen).

Abb. Aus den Planunterlagen (Zahlen für Verkehr Richtung Osten, Gesamtmenge daher doppelt so hoch)

Damit lassen sich 2000 bis 3000 der Fahrzeuge, die Lindenstruth durchfahren, auf die A5 umleiten. Diese Maßnahme hätte somit eine große Entlastungswirkung auf die Durchgangsstraße im Ort. Erreichen lässt sich das dadurch, dass die bisherige B49 unattraktiver wird. Bislang schlagen Navigatoren oder zum Beispiel Google Maps die B49 als bevorzugte Strecke vor. Vom Mittelpunkt Grünbergs (Höfetränke) bis zum Autobahnanschluss Reiskirchen sind es über die B49 und über die A5 jeweils 11 Minuten Fahrzeit. Da die B49 kürzer ist, wird diese in den Standardeinstellungen empfohlen (siehe Abbildung).

Screenshot von GoogleMaps (einfach selbst machbar auf google.de/maps)

Mit einfachen Maßnahmen ließe sich die Reisezeit auf der B49 verlängern, insbesondere Tempo 30 in beiden Ortsbereichen, Querungshilfen für Fußgänger*innen und Geschwindigkeitsbegrenzungen auf 70 km/h an Fahrrad- und Fußachsen, die die B49 queren (zum Beispiel zwischen Saasen und Harbach). Dann würden Navigationsgeräte und –seiten die A5 als Standardstrecke anzeigen.

 

Binnenverkehr reduzieren

Auch wenn es die Menschen in Reiskirchen mit seinen Ortsteilen nicht gerne hören: Sie sind nicht nur Opfer von Verkehr, sondern selbst ein Teil des Problems. Mit ihren Autofahrten belasten sie ihre Nachbar*innen, durchfahren weitere Straßen und benachbarte Orte. Viele Fahrten folgen einfach der Bequemlichkeit, andere haben handfeste Gründe in fehlenden Versorgungsmöglichkeiten und sozialen Einrichtungen im Ort oder in einer unattraktiven Infrastruktur für Zu-Fuß-gehen und Fahrradfahren. Auch hier sind Alternativen möglich, die keine riesigen Investitionen oder Flächenversiegelungen nach sich ziehen:

  • Einkaufsmöglichkeit schaffen: Lindenstruth verfügt über keine Versorgungsmöglichkeiten (mehr). Versuche, einen Dorfladen zu etablieren, scheiterten. Neue Möglichkeiten bieten SB-Läden, bevorzugt mit regionalen Produkten (um Lieferverkehr zu reduzieren). Vorstellbar wäre eine Kombination eines SB-Ladens im Format der „Regiobox“ (Grünberg-Baumgartenfeld) mit einem Verteilpunkt für Frischeprodukte aus regionalem Gemüseanbau, Käserei usw.
  • Kulturtreff: Mit dem Dorftreff verfügt Lindenstruth bereits über eine vorbildliche Einrichtungen als sozialer Treffpunkt. Eine Erweiterung der Nutzung mit kulturellen Veranstaltungen, Café/Kneipe, temporärer Gastronomie usw. könnte die Neigung reduzieren, in andere Orte zu fahren (und damit deren Durchfahren und die Anfahrtswege durch Lindenstruth zu belasten).

Umweltfreundliche Verkehrsmittel fördern

Den Zwang zu weiten Fahrten zu reduzieren und den von Osten kommenden Autofahrten auf die A5 umzuleiten, kann Lindenstruth bereits erheblich entlasten. Eine weitere Verlagerung tritt ein, wenn Autofahrten durch die Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel (Fuß, Rad, Bus und Bahn) eingespart werden.

Wichtigste Maßnahme wäre die Einrichtung einer Haltestelle der Vogelsbergbahn in Lindenstruth. Der Einfluss der örtlichen Bevölkerung oder des Ortsbeirates ist dabei allerdings gering. Wichtig wäre die Sicherung der notwendigen Flächen durch die gemeindliche Bauleitplanung und Grundstücksbewirtschaftung. Da eine Haltestelle in Lindenstruth des Wiederaufbaus eines zweiten Gleises in Saasen bedarf, wäre auch dort die Sicherung des noch vorhandenen, ehemals mit einem zweiten Gleis versehenen Bahndammes wichtig.

Einfacher und schneller sind Verbesserungen für den Fuß- und Radverkehr. Hier liegt alles im Hoheitsbereich der Kommunalpolitik:

  • Bessere Ausschilderung potentieller Ziele wie dem Dorftreff, der Wieseckhalle und den Orten in der Umgebung (Hattenrod, Lich), vor allem am Radweg „R7“ (nahe Bahnübergang).
  • Verbesserung der Infrastruktur für Fahrräder: Mehr und bessere Abstellanlagen, Lastenradverleih im Ort usw.
  • Bedienmöglichkeit der Ampel an der B49 für Radfahrende aus Untergasse bzw. Martinstraße (zum Beispiel als Taster an einem Posten rechts neben der Straße mit Funkschaltung der Ampel).
  • Querungshilfen für Fußgänger*innen auf Höhe Kindergarten/Heegersgraben/Lindenau sowie an der Bushaltestelle. Diese stellen gleichzeitig Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung dar, um ein einzuführendes Tempo 30 auch baulich durchzusetzen.
  • Fahrradachsen zu wichtigen Zielen im Kernort: Einkaufsmöglichkeiten, Schulen, Gemeindeverwaltung, Bahnhaltepunkte usw. liegen von Lindenstruth aus in einer typischen Fahrradentfernung (2 bis 4 km). Die Erreichbarkeit ist allerdings durch fehlende Fahrradachsen innerhalb der Kerngemeinde Reiskirchen schlecht, zumindest gefährlich. Maßnahmen im Kernort würden die Autofahrten durch Lindenstruth (mit Ziel Reiskirchen) und zusätzlich den durch Autofahrten aus Lindenstruth erzeugten Durchgangsverkehr in Reiskirchen verringern.

 

Firma WeissTechnik einbinden

Mit (laut Ortsvorsteher) 1200 Arbeitsplätzen ist die Firma WeissTechnik der größte Verkehrserzeuger nicht nur Lindenstruths, sondern voraussichtlich im gesamten Wiesecktal (vergleichbar nur noch mit dem absurden (Elterntaxi-)Aufkommen der Theo-Koch-Schule in Grünberg). Da die Firma auf der Nordseite des Ortes liegt, hätte eine Südumgehung keinerlei entlastende Wirkung. Fehlender Bahnhaltepunkt und unbefriedigende Buslinienführungen mit einer von der Firma weit entfernt liegenden Haltestelle bieten keinen Anreiz für Angestellte der Firma, auf Autofahrten zu verzichten. Zudem zeigen sich Firmenleitung und Betriebsrat an einer Verbesserung der Lage desinteressiert – ein inakzeptables Verhalten gegenüber den Menschen an Greizer Straße, Untergasse und B49. Hier ist die Gemeinde gefragt, mit ihren Möglichkeiten Druck auf die Firmenleitung (z.B. Vergabe von Bauland oder Genehmigungen an Kooperationsbereitschaft knüpfen) und die Nahverkehrsanbieter auszuüben.

 

Reduzierung von Stau auf der A5 und ihren Auswirkungen

Die oben beschriebenen Maßnahmen können die Verkehrsbelastung im Normalbetrieb deutlich reduzieren. Die im April 2024 gemessenen Zahlen (7417 Fahrzeuge pro Tag) lassen sich durch die Umleitung des aus Grünberg stammenden Verkehrs auf die A5, durch Versorgungsmöglichkeiten im Ort sowie bessere Rad- und Fußwegeverbindungen in etwa halbieren – das Potential einer langfristigen Reduzierung durch einen Bahnhaltepunkt nicht mitgerechnet.

Wenig Auswirkungen hätten die Maßnahmen jedoch auf die Verkehrszahlen bei einer Vollsperrung der A5. Dennoch lässt sich auch hier die Lage verbessern:

  • Ein Tempolimit auf der A5 reduziert die Unfallgefahr, insbesondere die Gefahr schwerer Unfälle mit Vollsperrungen.
  • Pförtnerampeln an den Ortseingängen, zum Beispiel in Kombination mit den Querungshilfen, beschränken die Durchfahrtsmenge im Ort, reduzieren aber nicht die Gesamtleistungsfähigkeit der als Umleitungsstrecke für die A5 qualifizierten Strecke. Die Rückstaus würden sich nur nicht mehr so stark in den Orten, sondern auf den Abschnitten zwischen den Orten bilden – und damit die Menschen im Ort entlasten.

 

Diese Vorschläge stammen aus dem Kreis der Verkehrswende-Aktiven in und um Reiskirchen. Für etliche der Ideen liegen Erfahrungen und Knowhow vor, die gerne in eine gemeinsame Umsetzung mit den Menschen in Lindenstruth eingebracht wird. Die entstandene Konfrontationsstellung im Ort auf ein reines Pro&Contra zum B49-Neubau verhindert seit Jahrzehnten mögliche Verbesserungen – und sollte folglich überwunden werden. „Wir sind sofort da, wenn es Signale aus dem Ort gibt, solche Projekte umzusetzen – gerne auch gemeinsam“, heißt es von den Verkehrswende-Aktiven. „Meinungsunterschiede zu neuen Straßen und Flächenversiegelungen sollten nicht länger die schon möglichen, sinnvollen Maßnahmen blockieren.”

Kontakt: Projektwerkstatt, saasen@projektwerkstatt.de, Tel. 06401-903283

https://b49.siehe.website

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