„Football is family!“ – in wohl keiner anderen Mannschaftssportart hat diese Charakterisierung mehr Berechtigung, als beim American Football. Zusammenhalt, Verlässlichkeit, Verbindlichkeit, Verantwortungsbewusstsein sind nicht nur der Kitt, der eine Gesellschaft zusammenhält, sondern diese Werte bilden ebenso die Pfeiler, auf denen die Existenz eines Footballteams basiert. Das Jugend-Bundesligateam (GFLJ) der Gießen Golden Dragons hat nun schmerzlich erfahren müssen, dass diese Selbstverständlichkeiten eben keine solchen mehr sind und war gezwungen, sich aus dem Spielbetrieb in der laufenden Saison zurückzuziehen.
Dabei hatte alles sehr gut begonnen. Eine hervorragende und beispielhafte Jugendarbeit wird den Dragons bereits seit Jahren bescheinigt und nicht umsonst sorgte in der Szene nicht nur die Tatsache für Aufsehen, dass das Herrenteam in der 2. Bundesliga einen außerordentlich hohen Anteil von Spielern aus der eigenen Jugend aufweist, sondern seit diesem Jahr gar mit einem ehemaligen Jugendspieler als Quarterback aufläuft, anstatt einen US-amerikanischen Importspieler zu verpflichten. Ein hochengagiertes und footballerfahrenes Trainer- und Betreuerteam für die Jugendmannschaft U20 bildete sich um den neuen Headcoach Norman Meyer, sein Vorgänger Thorsten Schliessner betrieb erfolgreiche Spielerakquise und bei der Abstimmung, in welcher Spielklasse nun gemeldet werden kann und soll, entschieden sich annähernd 60 Jugendspieler für das Antreten in der GFLJ. Somit war die Voraussetzung eines breiten und vielköpfigen Kaders, der im Football grundsätzlich und in der Bundesliga erst recht nun einmal eine Notwendigkeit darstellt, gegeben und zudem konnten einige Leistungsträger, die bei Nennung in der Oberliga möglicherweise zu einem anderen Verein abgewandert wären, gehalten werden und die Vorbereitungen auf die Saison wurden mit Elan begonnen.
Die Aufbruchstimmung erlitt jedoch recht bald mit der einsetzenden Erosion in der Trainingsbeteiligung durch die Spieler – ein Problem, von dem nicht nur beim Football, sondern bei vielen Mannschaftssportarten berichtet wird – einen Dämpfer: mehr und mehr Spieler, die sich ursprünglich für die Jugendbundesliga entschieden, sich somit ihren Teamkameraden, den Coaches, dem Verein gegenüber verpflichtet hatten, kamen dieser Verpflichtung nicht nach oder waren den zeitlichen und körperlichen Anforderungen, die dieser Mannschaftssport auf Bundesliganiveau bedeutet, nicht gewachsen. Der Kader verkleinerte sich ständig, so dass Trainings- und Spielbetrieb zunehmend problematisch wurden und die vorgeschriebene Mindestanforderung an dessen Größe zukünftig und über die gesamte Saison hinweg kaum noch als gesichert angesehen werden konnte. Das Team der U20 startete dennoch, mit den verbliebenen hochmotivierten Spielern und unermüdlich arbeitenden Coaches, in die Saison. Verletzungspech reduzierte die Zahl der einsetzbaren Spieler bereits an den ersten Spieltagen zusätzlich, so dass am vergangenen Wochenende eine Entscheidung getroffen werden musste.
Coaches und Teamcaptains diskutierten die Situation und Optionen mit den Spielern und entschieden sich, in Absprache mit den Vereinsverantwortlichen, zu dem Schritt des Rückzuges aus dem Spielbetrieb der GFLJ. Ein schwerer und schmerzlicher Schritt – ein Rückschlag in der exzellenten Jugendarbeit der Gießen Golden Dragons, ein frustrierendes Saisonende für die engagierten Coaches und Betreuer, die sich gerade mitten im Aufbau eines strukturierten und leistungsorientierten Jugendprogrammes für Nachwuchsfootballspieler befinden. Und, nicht zuletzt, eine niederschmetternde Erfahrung für die jungen Footballer, die sich von ihren unzuverlässigen „Teamkameraden“ im Stich gelassen fühlen müssen.
„Football is family!“ – in jeder gibt es „schwarze Schafe“. Doch wenn diese einfach zu viele sind, dann zerbricht auch die beste Familie. Für den Moment. Findet sich dann wieder zusammen, reorganisiert sich, erstarkt. Und das wird den Gießen Golden Dragons sicherlich gelingen – trotz des momentanen Rückschlages läuft der Aufbau des umfassenden und innovativen Jugendprogrammes auf Hochtouren und Verein, Coaches und Spieler halten zusammen. Also doch: „Football is family!“.