Am Montag, den 19.02.2024 wird der viergleisige Ausbau der Main-Weser-Bahn auf dem Abschnitt zwischen Frankfurt-West und Bad Vilbel, als Bautitel fälschlicherweise als „Ausbau S6“ bezeichnet, für den Verkehr freigegeben. Der PRO BAHN Landesverband Hessen begrüßt, dass das Ziel nun nach rund 40 Jahren Debatte, Rechtsstreit, Planung und Bau erreicht ist, auf rund 13 km die Schienenverkehrsarten mit ihren sehr unterschiedlichen Bedürfnissen zu trennen.
Die Fahrgastvertretung hat jedoch große Bedenken, dass es in erforderlichem Umfang weitergeht. Mit großen Tönen sei mit dem Spatenstich im Oktober 2016 verkündet worden, dass mit der Verwirklichung des 1. Bauabschnitts Frankfurt-Bad Vilbel, die Bagger nur umgesetzt werden müssen und man bis zu diesem Zeitpunkt Baurecht für den 2. Bauabschnitt Bad Vilbel-Friedberg geschaffen habe. Dies wäre demnach mit einem Jahr Verspätung, „heute“. Die direkte Umsetzung der Bagger wird nicht erfolgen, weil es den verantwortlichen Stellen nicht gelungen ist, bis jetzt Baurecht zu schaffen. Es liegt offenkundig daran, dass man mit den erforderlichen Schritten auch für den 2. Bauabschnitt zu spät begonnen hat. Man steckt noch mitten in der Planfeststellungsphase, bei welcher nicht abzusehen ist, ob auch hier noch Klageverfahren drohen. Für einen Baubeginn 2026/2027 und eine Eröffnung 2031/2032 dürfte niemand die Garantie abgeben. Die Folge ist, dass die Fahrgäste, insbesondere die Pendlerinnen und Pendler aus der 1 Mio. Menschen umfassenden Region Mittelhessen mindestens bis weit in die 2030er Jahre hinein mit massiven baustellenbedingten Einschränkungen werden leben müssen. Wer ehrlich und zukunftsweisend verkehrspolitisch denkt, wird nicht umhinkommen, einen 3. Bauabschnitt des viergleisigen Ausbaus voranzutreiben und zwar zwischen Friedberg und Gießen. Die Zunahme von Güterverkehr und Personenverkehr bedingt aus Sicht des Fahrgastverbandes PRO BAHN, dass südlich von Gießen bereits durchgängig vier Gleise vorhanden sind.
Große Sorgen hat der PRO BAHN Landesverband Hessen im Vorfeld der Umsetzung des 2. Bauab-schnitts. Durch die Baumaßnahmen „nordmainische S-Bahn“ und „viergleisiger Ausbau Hanau-Gelnhausen“ wird es kaum möglich sein, über Hanau Züge umzuleiten. Der vom PRO BAHN Landesverband Hessen mit Elektrifizierung geforderte Ausbau der Strecke Friedberg-Friedrichsdorf hätte dann das Potential, einen Teil des Umleitungsverkehrs der Main-Weser-Bahn aufzunehmen, Ebenso könnte eine 2. Umleitung Friedberg-Nidderau-Bad Vilbel eingerichtet werden, wenn die Elektrifizierung der Niddertalbahn zwischen Nidderau und Bad Vilbel bereits abgeschlossen wäre. Es ist nicht absehbar, dass dies mit einem Baubeginn 2026 vorhanden ist. Alle Beteiligten haben zu lange abgewartet, so dass die Gefahr besteht, dass der 2. Bauabschnitt Bad Vilbel-Friedberg mit dem Baubeginn auf unabsehbare Zeit aufgeschoben wird bzw. relevante Strecken für Umleitungen fehlen.
Aus all diesen Gründen fordert der PRO BAHN Landesverband Hessen weiterhin mit aller Deutlichkeit sog. „maßnahmebegleitende Beteiligungsforen“, in welchen auch Vertretungen aus der legislativen und ehrenamtlichen Politik sowie der Zivilgesellschaft, z.B. durch Verbände, Vereinen und Initiativen mitwirken. Dass die Ebenen des Verkehrswesens in der Exekutive unter sich die Einzelentscheidungen treffen, dieses Verfahren ist gescheitert. Nur durch mehr Beteiligung kann der Ausbau und die Zukunftsfähigkeit der Schiene gelingen.
Rückblickend auf über sieben Jahre viergleisiger Ausbau Frankfurt-Bad Vilbel muss man phasenweises Totalversagen in Bezug auf die Umleitungsfahrpläne und Ersatzverkehr attestieren. Die längere Sperrung im Sommer 2022 führte zum bahntechnischen Zusammenbruch mit Auswirkung auf der Gesamtstrecke von rund 200 km bis nach Kassel. Die Planung der Fahrpläne bei den zuständigen Stellen hat völlig versagt. Im Vorfeld hätte die bauliche Situation im Bahnhof Frankfurt-Süd verbessert werden müssen. Die Folge, viel zu kleine Platzkapazitäten an Gleis 9 und Gedränge mit Menschenmassen wie in staatlichen Ausnahmezuständen. Dass lediglich der alle zwei Stunden verkehrende Doppelstockzug bei mehreren Langzeitsperrungen die einzige umsteigefreie Nahverkehrsverbindung zwischen Marburg/Gießen und Frankfurt Hbf war, führte insbesondere in Hauptverkehrszeiten zu menschenunwürdiger Überfüllung im Sinne einer Stückgutverladung. Dass der Mittelhessen-Express (RB40/RB41) nur bis Hanau fuhr und von dort nur wenige Alternativen nach Frankfurt bestanden, war ebenso inakzeptabel. Gleiches gilt für den von der Hess. Landesbahn gefahrenen Main-Lahn-Sieg-Express (RE98/RE99), der teilweise nur bis Offenbach Hbf fuhr, einer Station, von welcher keine alltagstauglichen Anschlussverbindungen bestehen.
Auch durch Busse als Schienenersatzverkehr war es in den 7 Jahren nicht besser, welcher insbesondere als Ersatz für die S-Bahn zwischen Bad Vilbel und Frankfurt verkehrte. Die Haltestellen am Bahnhof Bad Vilbel, in Groß-Karben und an anderer Stelle waren schlecht bzw. zu provisorisch ausgeschildert, lagen teilweise zu weit weg vom Bahnhof, um einen Umstieg aller Fahrgäste zu ermöglichen. Viele Menschen saßen letztlich im falschen Bus. Die Busse kamen im Umlauf viel zu spät, ein ansatzweiser Taktfahrplan konnte nicht garantiert werden. Dies alles normalisierte sich sporadisch bei den jüngsten mehrwöchigen Sperrungen. Von akzeptablen Gegebenheiten kann aus Fahrgastsicht keine Rede sein. Trotz der positiven Wirkung der neuen Streckeneröffnung ist die Gesamtsituation alles andere als erfreulich.
Danke für die detailierte Darstellung des Versagens vieler staatlicher und Bundesbahn-Stellen.
Der gesunde Menschenverstand sagt: Fehler werden gemacht, aber aus Fehlern kannst Du lernen. Soll heissen: Muss das bei den nächsten Bauabschnitten wirklich so stümperhaft ablaufen, wie in den letzten sieben Jahren?
Sicherlich ist dieser (und andere) Interessenverband der Bus- und Bahnnutzern seit Jahren in enger Zusammenarbeit mit weiteren verkehrs- und / oder umweltschutzpolitischen Gruppen der Zivilgesellschaft im öffentlichen Raum, aber auch flankierend in den diversen Beteiligungs”formaten” “unterwegs”. Aber offensichtlich reicht das Alles nicht.
Ich bin – wie sicher auch andere Mitbürger – schlicht und einfach ratlos, wie so großer politischer Druck aufgebaut werden kann, dass eine “schwerfällige Kuh” in Trapp gesetzt wird. Diese “Kuh” ist sicher nicht nur technisch überforderte, sondern ist auch – trotz ständiger gegenteiliger öffenlichen Bekundungen – politisch daran uninteressiert, da sie jahrzehntelang sich lediglich als Anhängsel der Autokapitalisten verstanden hat.
Ich erwarte nicht, dass die “Kuh” Tango tanzt, mir würde es schon reichen, wenn sie gemächlch zum Futtertrog watschelt (das ist wohlgemerkt das Steuergeld der Bürger).
Wenn ich auch keine Patentrezpte im Ärmel habe, möchte ich anregen, ob nicht die oben angeprochenen gesellschaftlichen Gruppen sich einmal zusammen setzen und mit Unterstützung von Universitäten über erfolgversprechenden Strategien der rechtzeitigen Beieinflussung von staatlichen bzw. halbstaatlichen Stellen sprechen.
Erstes Ziel sollte dabei sein; aus der sehr häufigen Situation “da läuft eine Sauerei – wie können wir da noch etwas retten” raus zu kommen und mitzuhelfen, dass Strukturen geschaffen werden, welche die Entstehung von “Sauereien” verhindern. Ist das (Strukturen sind sehr hartnäckig!) nicht kurzfristig möglich, muss eine schnelle Korrektur sich entwickelnder falscher Tendenzen in den alten Strukturen möglich gemacht werden können.
Mir ist dabei schon klar, dass so etwas nur der Anfang sein kann. Ist die Strategie klar, bleibt es eine Heidenarbeit genug Menschen aus der Zivilgesellschaft für den vorsorglichen Kampf zu mobilisieren. Und da bin ich optimitisch. Der OEPNV hat eine Zukunft. Egal ob Menschen erkennen, dass das Auto der größte Umweltverschmutzer hier und heute ist oder ob immer mehr Menschen in Zeiten der zunehmenden Massenarmut sich schlicht und einfach kein Auto mehr leisten können, das Potential ist vorhanden.