Der PRO-BAHN-Landesverband Hessen sieht den Warnstreik der Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer (GdL) in der Ankündigungsweise als nicht inakzeptabel an. Eine Spanne von knapp mehr als 24 Stunden zwischen Ankündigung und Durchführung ist für Fahrgäste unzumutbar. Mindestens 48 Stunden müssen zwischen Ankündigung und Streikbeginn liegen. Hinzu kommt, dass der Streiktag an einem Freitag in der Vorweihnachtszeit liegt. Der Fahrgastverband fordert die GdL daher auf, den Warnstreik unverzüglich abzusagen und der Eisenbahn nicht mutwillig weitere Schäden zuzufügen.
„Obwohl die Deutsche Bahn bereits ein Angebot vorgelegt hat, hat die GdL nach nur anderthalb Verhandlungsrunden die Gespräche für gescheitert erklärt und sogar schon vorher die Urabstimmung eingeleitet. Herr Weselsky will sich offenbar nicht einigen, sondern legt es auf Streik an“, beurteilt Thomas Kraft, Landesvorsitzender des PRO-BAHN-Landesverbandes Hessen die Situation. „Das ist inakzeptabel, zumal der öffentliche Personenverkehr Teil der Daseinsvorsorge ist und deswegen besondere Umsicht in Tarifverhandlungen zu erwarten wäre.“
PRO BAHN steht hinter dem Streikrecht in Deutschland und sieht natürlich die Notwendigkeit, Lokführern und anderen Beschäftigten der Deutschen Bahn und anderer Eisenbahnunternehmen ein attraktives Arbeitsumfeld zu schaffen. Wenn man aber ohne Kompromissbereitschaft an den aktuellen Forderungen wie der 35-Stunden-Woche im Schichtdienst in den laufenden Tarifverhandlungen festhält und sogar noch lapidar erklärt, der Personalmangel gehe einen nichts an, dann ist das ein unverantwortliches Verhalten dieser Arbeitnehmervereinigung, welche in weiten Teilen des Bahnwesens bei weitem nicht die Mehrheit der gewerkschaftlich organisierten Bediensteten auf sich vereinigen kann. Offenbar geht es nur darum, im Machtkampf mit der Eisenbahnergewerkschaft EVG Boden gutzumachen, welche dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) angehört.
Die Landesmitgliederversammlung von PRO BAHN Hessen hat am 28.10.2023 die Kernforderung erhoben, dass Berufe wie Fahrdienstleiter zu gesamtgesellschaftlich systemrelevanten Berufen per Gesetz festgelegt wird. Hierzu sind der Bundestag, das Bundesverkehrsministerium und die zuständigen Landesministerien gefordert, entsprechende gesetzliche Grundlagen zu schaffen. Zudem ist der Staat dann in der Pflicht, die entsprechenden Rahmenbedingungen für diese Arbeitsplätze zu schaffen, dass Personal in ausreichender Zahl ausgebildet wird und für viele Faktoren mehr, so dass die aktuellen Probleme in Vorausschau vermieden werden. Den sensiblen Bereich öffentliches Verkehrswesen kann man sich nicht selbst überlassen, so wie dies in den letzten 30 Jahren erfolgt ist, so PRO BAHN Hessen.
„Schon heute leiden wir Fahrgäste unter massiven personalbedingten Zugausfällen bei praktisch allen Eisenbahnunternehmen. Bei den in Hessen auf der Schiene tätigen Verkehrsunternehmen, ob DB Regio, Hessische Landesbahn (HLB) inkl. Cantus, Kurhessenbahn oder VIAS, alle mussten in den letzten eineinhalb Jahren teils für Wochen ihren Betrieb für einzelne Fahrten oder gar ganztätig reduzieren.
Der Wunsch nach kürzeren Arbeitszeiten ist angesichts der anspruchsvollen Arbeitsbedingungen im Bahnwesen, ob Lokführer oder Fahrdienstleiter ist auch für PRO BAHN Hessen einerseits nachvollziehbar. Die aktuellen Faktenlage des Arbeitskräftemangels lässt dies jedoch nicht zu. Eine sofortige Verkürzung der Arbeitszeit um ca. 10 Prozent bei der Deutschen Bahn würde zu noch mehr Zugausfällen führen; so schnell kann kein Arbeitgeber seine Belegschaft vergrößern“, erläutert Thomas Kraft das Problem mit der Kernforderung der GdL. Arbeitgeber und Gewerkschaft müssen gemeinsam tragfähige Lösungen erarbeiten. Dies scheitert derzeit aber an der Kompromisslosigkeit der GdL.“
Der Fahrgastverband ruft Fahrgäste in Hessen auf, während der Streikdauer möglichst auf Nahverkehrslinien der Verkehrsunternehmen, die nicht bestreikt werden, insbesondere die Hessische Landesbahn und VIAS auszuweichen. Das ist leider im Nahverkehr nur eingeschränkt und im Fernverkehr so gut wie gar nicht möglich.
Vielen Dank für den sehr informativen Beitrag.
Ich beschränke mich und werde nur auf ein paar Passagen näher eingehen.
Der Artikeleinsteller schreibt:
(….) “Eine Spanne von knapp mehr als 24 Stunden zwischen Ankündigung und Durchführung ist für Fahrgäste unzumutbar.” (….)
Offensichtlich versteht der Fahrgastverband nicht die Mechanismen eines Arbeitskampfes. Würde einer der zwei Seiten einen berechenbaren Arbeitskampfmassnahme ergreifen, so könnte er es auch gleich lassen, denn dann kann die Gegenseite Massnahmen ergreifen, welche die ergriffene Methode wirkungslos machen würde.
Nein, wer allgemein akzeptiert, dass in der BRD es ein Grundrecht auf Streik gibt, muss auch akzeptieren, dass lediglich die “zwei Seiten” die konkreten Formen des Kampfes festlegen. Jegliche “Dritte” müssen aussen vor bleiben.
Oder anders gesagt: Natürlich kann eine Gewerkschaft auch ohne jegliche Vorankündigung den Streik führen. (Das heisst Du kommst zum Bahnhof und urplötzlich fährt keine Zug mehr!)
In diesem Licht verunsichert mich die Artikelaussage (…) “PRO BAHN steht hinter dem Streikrecht in Deutschland …” (….) völlig. Auch wenn ein Interessenverband verpflichtet ist die Interessen seiner Mitglieder zu verteidigen, aber es gibt Grenzen. Die Aushebelung des im Grundgesetz verankerten Streikrechtes (trotz der gegenseitigen Kundgebung) zu fordern finde ich völlig daneben.
In die selbe Richtung gehen die längeren Absätze mit den Forderungen der Landesmitgliederversammlung von PRO BAHN Hessen vom 28.10.2023.
(….) ” …. Berufe wie Fahrdienstleiter zu gesamtgesellschaftlich systemrelevanten Berufen per Gesetz festgelegt wird. Hierzu sind der Bundestag, das Bundesverkehrsministerium und die zuständigen Landesministerien gefordert, entsprechende gesetzliche Grundlagen zu schaffen.” (….)
und auch
(….) “Den sensiblen Bereich öffentliches Verkehrswesen kann man sich nicht selbst überlassen, so wie dies in den letzten 30 Jahren erfolgt ist, so PRO BAHN Hessen.” (….)
Habt Ihr vom Verband das wirklich voll durchdacht? Wollt Ihr wirklich – wie das leider Praxis in sehr vielen anderen Ländern ist – dass ganze gesellschaftlich Bereiche dem Machtkampf zwischen Kapital und Arbeit entzogen werden? Wollt Ihr wirklich eine staatliche Zwangsschlichtung?
Ich stehe Pro Bahn sehr geworgen gegenüber, aber hier kann ich nicht mitziehen.
Auch nicht, wenn ich Passagen lese, wie folgende: (….) “Offenbar geht es nur darum, im Machtkampf mit der Eisenbahnergewerkschaft EVG Boden gutzumachen, welche dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) angehört.” (….) oder auch (…) ” … Herr Weselsky will sich offenbar nicht einigen, sondern legt es auf Streik an …. ” (….) plus (….) “Arbeitgeber und Gewerkschaft müssen gemeinsam tragfähige Lösungen erarbeiten.” (….).
Na klar es ist so, dass eben auf Seiten der “Arbeit” jetzt immer öfters kämpferische Gewerkschaften groß werden. ((Übrigens es hat gute Gründe, dass seit der Gründung der Einheitsgewerkschaft 1949 in den letzten Jahren konkurrierende Gewerkschaften erfolgreich sind.))
Als Interessenverband habe ich mich da raus zu halten.
Zum Schluss noch zu folgendem Absatz:
(…) “Wenn man aber ohne Kompromissbereitschaft an den aktuellen Forderungen wie der 35-Stunden-Woche im Schichtdienst in den laufenden Tarifverhandlungen festhält ….” (….)
Ohne Zweifel wird in diesem Arbeitskampf den Zugnutzern viel abverlangt. Aber – und da bin ich überzeugt davon – wenn es den Gewerkschaften nicht bald gelingt (auch der im DGB organisierten EVG) jetzt die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich durchzusetzen (zumindest dort, wo Gewerkschaften noich gut organisiert sind), dann werden in naher Zukunft noch viel öfters Züge still stehen, denn dann finden sich keine Arbeiter mehr, welche unter diesen dann immer noch herrschenden miesen Bedingungen Züge fahren wollen.