(jth) Karin Hahnfeld vom MTV Giessen ist in den heimischen Läuferkreisen seit etlichen Jahren eine bekannte Läuferin, die schon etliche Altersklassensiege errungen hat. Die Großen-Buseckerin trägt jedoch bisher bei allen Läufen ein kleines Geheimnis mit sich herum, was bisher nur einige enge Freunde wussten. Nach dem Sieg beim Mauritius-Marathon im Juli wird es nun gelüftet. Karin Hahnfeld ist „Mauritierin“ und besitzt sogar die Staatsbürgerschaft des Landes. „Meine Eltern haben sich in Südafrika kennen gelernt. Mein Vater war Bauingenieur und hat dann für meinem Opa in Mauritius gearbeitet. Ich wurde in Curepie auf Mauritius geboren, wo wir 2 Jahre fest gelebt haben. Meine Kindergartenzeit habe ich in Saudi-Arabien und die Grundschulzeit in Bagdad erlebt. Ich bin 3-sprachig aufgewachsen. Meine Eltern haben miteinander Englisch gesprochen, da meine Mutter kein Deutsch und mein Vater kein Französisch sprach. Mein Vater redete mit mir Deutsch und meine Mutter mit mir Französisch. Kreolisch lernte ich auf Mauritius, denn dies ist die Sprache der Einheimischen. Mein 5. Marathon in meinem Geburtsland war schon lange auf dem Plan und für mich ein emotionalstes sportliches Erlebnis. Bedingt durch Corona musste ich es leider mehrfach verschieben. Als ich meinen Trainingspartnern Mehmet Tanriverdi und Hans-Peter Schäfer von meinem Vorhaben erzählte, sagten beide spontan: Wir kommen mit!“
Wir hatten nun die Möglichkeit mit der Siegerin Karin Hahnfeld zu sprechen:
Redaktion: Der Mauritiusmarathon liegt nun schon eine Weile zurück. Die ganzen Eindrücke sind verarbeitet. Wie lautet das Gesamtfeedback?
Es war einer meiner schönsten und natürlich auch bewegendsten Läufe. Schon lange war es ein Traum auf Mauritius in meiner ursprünglichen Heimat zu laufen. Meine Familie war da, natürlich auch mein Mann Manni und meine guten Lauffreunde Mehmet und Hans-Peter. Tief im Inneren bin ich den Marathon für meine Mutter gelaufen, die vor 7 Jahren hier auf Mauritius verstarb. In einem Satz: Mit diesem Marathon ist ein Traum wahr geworden, den ich nicht mal ansatzweise gewagt hatte zu träumen.
Redaktion: Welchen Bezug haben Sie noch nach Mauritius
Karin Hahnfeld: Meine Familie lebt dort. Von daher ist es wie nach Hause kommen. Trotz der großen Entfernung habe ich eine sehr innige Bindung zu meiner Familie und fliege jedes Jahr nach Mauritius. Ich bin ein Familienmensch und liebe es bei ihnen zu sein.
Redaktion: Wie lässt sich der emotionale Eindruck beschreiben, wenn man in seinem Geburtsland einen Marathon gewinnen kann?
Karin Hahnfeld: Unbeschreiblich!
Redaktion: Die Lebensgeschichte mit vielen Aufenthalten in unterschiedlichen Ländern ist sehr speziell. Wie hat sich dies auf das „heimatliche Leben“ ausgewirkt?
Karin Hahnfeld: Da ich bis zu meinem 12. Lebensjahr nicht länger als 2 Jahre an einem Ort gelebt habe, ist mir das typische Heimatgefühl fremd. Doch ich kann mich überall auf der Welt zuhause fühlen, wo herzliche Menschen sind. Nun lebe ich schon seit über 20 Jahren in Buseck und fühle mich hier sehr wohl.
Redaktion: Es war erst der 5. Marathon in Ihrer Laufkarriere. Wie ist das Rennen verlaufen?
Karin Hahnfeld: Wir sind die Strecke am Vortag mit dem Auto abgefahren, um eine Ahnung zu bekommen, was auf uns zukommt. Dass wir bei dieser Strecke keine Bestzeit laufen würden, war uns schnell klar. Es ist eine wunderschöne Strecke entlang der Südküste, vorbei am berühmten Berg Le Morne (UNESCO Welterbe) jedoch mit etlichen Hügeln und Höhenmetern. Außerdem hat die Strecke 2 Wendepunkte, bei Kilometer 4 und Kilometer 25. Die ersten 20 Kilometer waren anstrengend. Obwohl das Wetter wie für uns bestellt war: bewölkt, ab und an ein kleiner Regenschauer und etwa 20 °C. Wir hatten uns auf wesentlich höhere Temperaturen eingestellt und sind die langen Trainingseinheiten in Deutschland in der Mittagshitze bei teilweise über 35 °C gelaufen, um auf das tropische Klima vorbereitet zu sein. Mehmet und ich liefen bis Kilometer 30 als Team zusammen, was sehr gut harmonierte. Ab Kilometer 20 schien sich in mir etwas gelöst zu haben und meine Beine liefen rhythmisch und wie von selbst. Am Wendepunkt angekommen, stellte sich ein Hochgefühl ein. Es geht zurück! Wir zählten 17 Männer und 1 Frau, die vor uns waren. Mehmet, der alte Fuchs und Taktiker, sagte: 10 sammeln wir noch ein. Gesagt getan! Einen nach dem anderen holten wir uns. Bei Kilometer 30 ließ Mehmet mich ziehen mit den Worten: Du kriegst sie! Dass seine Worte sich bewahrheiten sollten, dachte ich nicht einmal im Traum. Danke Mehmet! Bei Bel Ombre, bei Kilometer 35 wurde es wieder anstrengend. Es ging etwa 5 km bergauf, es war sehr windig und ich hatte nur noch einen Gedanken im Kopf: Tempo halten und ankommen.
Redaktion: Gab es unterwegs Schwierigkeiten auf der Strecke?
Karin Hahnfeld: Nein eigentlich nicht. Ich war gut vorbereitet. Mein Training verlief außer einem kleinen Zwischenfall sehr gut. 2 Wochen vor Abflug machte meine rechte Wade zu. Ich pausierte 3 Tage und ließ mich von meinem Physio behandeln, der mich schnell wieder fit bekam. Außergewöhnlich war, dass die Straßen für die Autos nicht gesperrt waren. Die fuhren teilweise dicht an uns Läufern vorbei. Im Kreisverkehr hatten wir jedoch „vorfahrt“. Dort waren Verkehrspolizisten positioniert, die uns freudestrahlend durchwinkten und applaudierten.
Redaktion: Wann war klar, dass es ein Sieg werden konnte?
Karin Hahnfeld: An der Verpflegungsstation bei Kilometer 30 hörte ich, wie ein Organisator sagte: die 2. Frau ist da und hat noch 2 Minuten Abstand zur 1. Diese Worte lösten ein Feuerwerk in meinem Kopf aus. Karin, das ist die Chance deines Lebens! Du kannst einen Marathon gewinnen! Jetzt musste ich taktieren und durfte nicht die Nerven verlieren. Ich nahm mein Gel, spülte es mit Wasser runter. Das restliche Wasser goss ich mir über den Kopf und lief los, mit dem Ziel dieses Rennen zu gewinnen – für meine Mutter, für Manni, für mich! Einmal im Leben einen Marathon gewinnen. Diese Chance bekommst du als normal sterblicher Läufer ein einziges Mal. Nutze sie, Karin! So lief ich also los, im Höhenflug, aber mit Warnsignal jetzt nicht übermütig werden und bloß nicht überpacen. Das Rennen ist noch lang. Viele sagen, ein Marathon beginnt bei Kilometer 30. Nach 2 Kilometern sah ich sie am Berg. Ich merkte, dass sich der Abstand verringerte ohne das ich beschleunigen musste. Dennoch zog ich an, überholte sie und versuchte das Tempo etwa 100 Meter zu halten, um sicher zu gehen, dass der Abstand sich vergrößert. Ich konnte es nicht glauben, ich war die Nummer 1 auf der Strecke, in meiner Heimat, auf Mauritius! Ab da an war es mein Rennen. Außer Glück spürte ich in diesem Moment nichts mehr. Und ich lief und lief und lief bis ins Ziel!
Redaktion: Welche Ziele stehen jetzt noch in der Läuferkarriere an?
Karin Hahnfeld: Jetzt steht Ende September erstmal der Berlin Marathon an und im Oktober die Staffel beim Frankfurt Marathon. Dann freue ich mich auf die Winterlaufserie Alten Buseck. Endlich wieder mal in der heimischen Läuferszene mitmischen, die ich sehr vermisst habe. Schweren Herzens habe ich für die Marathonvorbereitung dieses Jahr auf die meisten Läufe des Mittelhessencup verzichtet. Das nächste Highlight wird 2025 der Two Oceans in Südafrika mit 56 Kilometern.
Vielen Dank für das Interview und alle Gute für die nächsten Aufgaben und Herausforderungen