Pohlheimer Haushalt gebilligt – Negative Kritik aller Fraktionen an Bürgermeister Andreas Ruck – FREIE WÄHLER Haushaltsrede 2023

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Bürgermeister Andreas Ruck und die "Pohlheimer Ampel" blicken auf eisige Zeiten in der Limestadt, Steuererhöhungen werden bereits offen diskutiert. (Bild von Stefan Schweihofer auf Pixabay)

Die Fraktion der FREIE WÄHLER Pohlheim stellt fest, dass es in Pohlheim in vielen Bereichen nicht wirklich voran geht. Vieles ist nicht “in trockenen Tüchern”, Verzögerungen sind dabei mehr die Regel als die Ausnahme. Bürgermeister Andreas Ruck wird wiederholt nur als stiller Beisitzer wahrgenommen, anstelle engagiert mit den ehrenamtlich Tätigen an guten Lösungen zu arbeiten. Die zahlreichen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, FREIE WÄHLER sowie SPD beschlossenen Sperrvermerke für diverse Projekte, dass eine Freigabe von Finanzmitteln erst nach Vorlage von Fakten in der Stadtverordnetenversammlung erfolgen wird, sollte den Bürgermeister zum Nachdenken anregen.

 

Andreas Schuch, Fraktionsvorsitzender der FREIE WÄHLER in der Pohlheimer Stadtverordnetenversammlung, ging darauf, neben weiteren Themenfeldern, in seiner Rede zum Haushalt 2023 ein.

Nachfolgend der Text der am 23. März 2023 in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung gehaltenen Haushaltsrede:

 

Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin Hofmann,
sehr geehrte Damen und Herren,

der Magistrat der Stadt Pohlheim hat zusammen mit Herrn Jürgen Triller, Frau Bianca Krieb und der Verwaltung die Haushaltsplanung für das Jahr 2023 vorgelegt. Dafür danke ich allen Beteiligten, auch im Namen der FREIE WÄHLER Fraktion.

Bei der vergangenen Kommunalwahl sind wir mit dem Ziel angetreten, die Betreuungssituation in Pohlheim deutlich zu verbessern, dabei mehr Kitaplätze zu schaffen, die Vielfalt der Betreuungsangebote zu steigern und die Qualität der Betreuung anzuheben.

Im Projektabbruch des Kita-Neubaus in der Kirchstraße im Stadtteil Watzenborn-Steinberg sehen wir weiterhin eine gravierende Fehlentscheidung in der Entwicklung der Kindertagesstätten in unserer Stadt. Laut dem Rahmenterminplan des Architekturbüros Schaltraum hätte die Übergabe der modernen Kita am 23.02.2023, also vor genau einem Monat, stattgefunden. Auch ein Multifunktionsraum zur zusätzlichen Nutzung durch Vereine stände nun schon zur Verfügung.

Die Planungen für die Kita auf den Flächen “Am schwarzen Morgen” sind aus unserer Sicht nicht vertretbar mit der geltenden Gesetzeslage. Das Baugesetzbuch (BauGB) fordert die Innenentwicklung vor der Außenentwicklung. Eine naturverträglichere Fläche samt anpassbarer Planung für den Neubau einer Kita liegt am Standort in der Kirchstraße vor. Das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) untermauert unsere Argumentation noch unter dem Gesichtspunkt, dass eine Vermeidung des ökologischen Schadens möglich ist.

Jeder Mensch mit hervorgehobenem ökologischen Sachverstand sollte und müsste einen Neubau einer Kita auf einem Bauplatz in fünf Meter Abstand zu den Flächen eines interkommunalen Naturschutzgebietes ablehnen. Der NABU Kreisverband äußerte sich in der Vergangenheit bereits ebenfalls mit negativer Kritik in der Lokalpresse. Zu denken sollte den Befürwortern des Projekts ebenfalls die Aussage der Planer geben, dass es sich um einen “anspruchsvollen Standort” handele und man davor warne, konkrete Termine zu einer möglichen Projektumsetzung zu nennen, “denn bislang sei noch vieles nicht in trockenen Tüchern”.

Andreas Schuch, Fraktionsvorsitzender der FREIE WÄHLER
Andreas Schuch, Fraktionsvorsitzender der FREIE WÄHLER Pohlheim

Wer nach Kenntnis dieser Fakten sein Handeln nicht überdenkt und ändert, darf im Nachhinein nicht sagen, dass er es nicht besser wusste!

Um als an der Pohlheimer Regierung um Bürgermeister Ruck nicht beteiligte Fraktion positiv steuernd in den Prozess einzugreifen, haben wir bereits vor einem Jahr weitere Anträge im Themenbereich der Kinderbetreuung gestellt. Unter anderem die Erweiterung der Kita in Garbenteich und die schnellstmögliche Realisierung einer weiteren Kita für die Kinder des Baugebiets “Hausen Ost”.

Eine Herzensangelegenheit für uns FREIE WÄHLER ist die Einrichtung einer weiteren Naturkitagruppe, konkret einer Bauernhofkitagruppe. Würde man unserem Wunsch folgen und nicht nur Geld für ein Konzept, sondern auch für die Umsetzung einstellen, so gebe es wenigstens die Hoffnung auf zusätzliche Betreuungsplätze in der Größenordnung von einer Kita-Gruppe für das Jahr 2024.

Unsere weiteren Anträge zielen darauf ab, die innerörtliche Situation für Fahrradfahrer zu verbessern, z.B. mit dem Ausbau der Wegeverbindung zwischen dem Bushaltepunkt “Zur Brücke” und der Pohlheimer Stadtverwaltung. Andere Verbesserungen, wie die Einrichtung von Schutzstreifen, sollen nach unserer Vorstellung baldmöglichst realisiert werden.

Wichtig erscheint uns ebenfalls die Planung für das Baugebiet “Hinter der Burg” in Grüningen nicht zu den Akten zu legen, sondern weiter zu verfolgen und bereits für das kommende Jahr Geld für die Umsetzung einzuplanen.

Die Entwicklung von Baugebieten kommt in Pohlheim nicht wirklich gut voran, Verzögerungen sind dabei mehr die Regel als die Ausnahme. Sowohl das Baugebiet “Hinter der Friedensstraße” im Stadtteil Garbenteich sowie der südliche Teil des Baugebiets “Hausen-Ost” sind davon betroffen. Bürgermeister Ruck hätte in der Sache frühzeitig informieren müssen und engagiert mit uns ehrenamtlich Tätigen an guten Lösungen arbeiten können, dies ist aber nicht geschehen. Wir haben ihn wiederholt nur als stillen Beisitzer wahrgenommen.

Für nicht sinnvoll erachten wir es, dass ein in die Jahre gekommenes zweistöckiges Wohnhaus in der Nachbarschaft der Volkshalle für ca. zwei Millionen Euro saniert werden soll, um darin unter anderem ein Jugendzentrum einzurichten, ohne dass vorher die Planungen vorgestellt wurden oder sich über mögliche bessere Lösungen ausgetauscht wurde. Die Präsentation einer Gegenüberstellung, die auf der einen Seite die Sanierung und auf der anderen Seite einen zeitgemäßen Neubau als Jugend- und Kulturzentrum (JuKuZ) an anderem Standort betrachtet, erachten wir für unbedingt notwendig.

Um das hochgesteckte Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2030 zu erreichen (Beschluss des Kreistages im September 2011), befürworten wir den Bau von Solarparks an den Autobahnen, an Bahnlinien sowie auf Gebäuden in Form von Bürgerbeteiligungsmodellen und beantragen hierzu finanzielle Mittel für deren Planungen.

Im Rahmen dieser Rede appelliere ich nochmals an Bürgermeister Andreas Ruck, seine bisherige Amtsführung zu überdenken, mehr sachgerechte Informationen zu liefern und endlich für mehr Transparenz zu sorgen.

Die im Haupt- und Finanzausschuss sowie in der Stadtverordnetenversammlung beschlossenen Sperrvermerke für diverse Projekte, dass eine Freigabe von Finanzmitteln erst nach Vorlage von Fakten in der Stadtverordnetenversammlung erfolgen wird, untermauert diesen Appell und sollte den Bürgermeister zum Nachdenken anregen.

Meine Fraktion und ich haben in unserer langjährigen politischen Tätigkeit noch keine so turbulent verlaufene Haushaltsberatung wie in diesem Jahr erlebt, die uns Ehrenamtliche stark forderte. Der diesjährige Pohlheimer Haushalt wirkt auf uns “aufgebläht” und erinnert uns im Punkt der “Haushaltswahrheit”, also der realen Möglichkeit der Umsetzung der vielen geplanten Projekte im Bereich des Investitionsprogramms, an eine Geschichte in einem Märchenbuch.

Die Fraktion der FREIE WÄHLER wird der Haushaltssatzung sowie dem Investitionsprogramm für das Jahr 2023 nicht zustimmen.

2 Kommentare

  1. Ich finde ein sehr informativer Artikel. Er ist – in Giessen geht es politisch härter zur Sache – erstaunlich unaufgeregt.

    Ich habe bei anderen Beiträgen des Öfteren schon darauf hingewiesen, dass meiner Meinung nach sich in den letzten Jahren in den diversen Parlamenten es eingeschlichen hat, dass die einzelen Volksvertreter (und da macht es überhaupt keinen Unterschied, ob sie einer Regierungsfraktion angehören oder nicht …) – wahrscheinlich wegen der Fülle der Vorlagen – im Detail ihrer Kontrollfunktion nicht nachkommen. *

    Hier in Giessen kann mann / frau (der Besucher der Stadtverordnetenversammlung oder der diversen Ausschüsse) das von den Zuschauerrängen klar beobachten. Wenn es hoch kommt machen die jeweiligen Fraktionsvorsitzenden einen informierten Eintrug … der Rest ist (um es hart auszudrücken “Stimmvieh”). Das ist immer dann deutlich zu sehen, wenn eine Abstimmung unvorhergesehen aufgerufen wird (passiert ja ab und zu) wie dann die Köpfe der “Faulen” Richtung eigener Fraktionschef/in gehen.

    Vorbildlich finde ich deshalb das Vorgehen der hier für sich werbenden Fraktion. Sachlich kann ich als Giessener das natürlich nicht einschätzen. Ich bin mir aber sicher die Pohlheimer werden das können. In der Opposition Anträge stellen, dass der herrschende Block gezwungen wird (anzufangen) zu arbeiten.

    Der Weg über die Abberufung des Bürgermeisters die Machtverhältnisse zu stürzen, finde ich nur im Ausnahmesituation vertretbar. (z.B. bei Machtmissbrauch oder deutlicher Abzockerei des hohen Gehaltes ohne nenneswerte Gegenleistung ….) Es geht doch nicht um den (etwas scharf ausgedrückt) “Handlanger des Parlaments”, sondern um andere politische Entscheidungen.

    Sinnvoller würde ich es halten, im Parlament so viel Druck aufzubauen, dass der herrschende Block (das geht über den Magistrat) den Bgm “an die kurze Leine” nimmt und nicht (wie es den Eindruck hat) machen lässt was diesem so einfällt.

    * Das Argument, wir sind alle nur Ehrenamtliche und schaffen den Wust an Papier nicht, lasse ich hier nicht gelten. Einmal weil die Stadtverordneten meiner Meinung nach “fürstlich” entschädigt werden und anderseits weil der Bürger erwarten kann, dass seine Vertreter etwas schaffen (eben auch notfalls, wenn es dafür keine Kohle gibt – das erwarte ich einfach von politsch Aktiven) und nicht nur die Hand heben, wie es gerade der Fraktionsvorsitzende macht. (Stichwort: Laut Verfassung gibt es eben kein Fraktionszwang!!!)

  2. HGO § 76 Abberufung eines Bürgermeisters: Als Zuschauer und Zuhörer der Stadtverordnetensitzung am Donnerstagabend, 23. März 2023, in der Volkshalle in Pohlheim, durfte ich miterleben, wie dem Bürgermeister Ruck von allen Fraktionsvorsitzenden in ihren Reden zum Haushalt der Stadt Pohlheim das Misstrauen ausgesprochen wurde. Am stärksten brachte es der FDP Fraktionsvorsitzende Fabian Schäfer zum Ausdruck, der den Bürgermeister sehr nachdrücklich aufforderte, im Sinne seines geleisteten Amtseides zu Arbeiten und sich nicht ausschließlich repräsentativen Aufgaben zu widmen. Das Bürgermeisteramt beschert dem Verwaltungschef in jedem Amtsjahr ein Jahresgehalt von circa Hunderttausend Euro. Davon lässt es sich trefflich gut leben. Wenn man sich dann nur noch der „Schokoladenseite“ seines Wahlamtes widmet und im pompösen Ambiente repräsentiert, ist das schon ähnlich anzusehen, wie ein „Sechser“ im Lotto. Das Arbeiten überlässt man lieber und sicherheitshalber den über einhundert Mitarbeitern in der Verwaltung. Die sind durch ihre Ausbildung für ihre Aufgaben qualifiziert und dürfen daher gerne alle Verantwortung übernehmen. Ähnlich könnte es auf einem Kreuzfahrtschiff passieren, wenn dem Bademeister die Aufgaben des Kapitäns übertragen würden und er sich nur dem „Kapitänsdinner“ und aufwendigen „Poolpartys“ widmete. Die Verantwortung für Hafeneinfahrten, Kollisionen mit Schiffen, Felsen oder Eisbergen sollte dann gefälligst der erste Offizier mit seinem Personal übernehmen. Ähnliches Verhalten lässt sich in der Amtsausübung des Bürgermeisters Ruck beobachten. Im Falle des Bürgermeisters enthält die Hessische Gemeindeordnung mit dem „Paragrafen 76 Abberufung“ in guter Voraussicht, die nötige gesetzliche Grundlage, um diese unqualifizierte Amtsführung zu beenden. Diese gilt es aus meiner Sicht, so schnell als möglich anzuwenden, damit der „Bademeister auf der Brücke“, das Schiff „Pohlheim“ nicht versenkt.
    Hessische Gemeindeordnung (HGO) § 76 Abberufung
    (4) Ein Bürgermeister kann von den Bürgern der Gemeinde vorzeitig abgewählt werden. Er ist abgewählt, wenn sich für die Abwahl eine Mehrheit der gültigen Stimmen ergibt, sofern diese Mehrheit mindestens dreißig Prozent der Wahlberechtigten beträgt. Zur Einleitung des Abwahlverfahrens bedarf es eines von mindestens der Hälfte der gesetzlichen Zahl der Mitglieder der Gemeindevertretung gestellten Antrages und eines mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Mitglieder der Gemeindevertretung zu fassenden Beschlusses; § 63 findet keine Anwendung. Für das weitere Verfahren gelten die Vorschriften der §§ 54 bis 57 des Hessischen Kommunalwahlgesetzes entsprechend. Der Bürgermeister scheidet mit dem Ablauf des Tages, an dem der Wahlausschuss die Abwahl feststellt, aus seinem Amt. Ein Bürgermeister gilt als abgewählt, falls er binnen einer Woche nach dem Beschluss der Gemeindevertretung schriftlich auf eine Entscheidung der Bürger über seine Abwahl verzichtet; der Verzicht ist gegenüber dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung zu erklären. Der Bürgermeister scheidet mit Ablauf des Tages, an dem er den Verzicht auf die Abwahl erklärt, aus seinem Amt.