Pohlheim/Gießen/Istanbul (-). Die Lebenshilfe Gießen und das Diakonische Werk Gießen sind seit Jahrzehnten wichtige Dienstleister für die pädagogische Begleitung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit und ohne Behinderung in der Stadt und im Landkreis Gießen. Weil der Fachkräftemangel bei Erziehern inzwischen größer ist als im Pflegebereich und man auch künftig die gewohnte Qualität erbringen will, gehen beide Organisationen neue Wege: Als bundesweit zwei der ersten Träger werben Lebenshilfe und Diakonie Fachkräfte aus der Türkei an. Kürzlich reiste eine Delegation in die türkische Hauptstadt Istanbul.
Vor Ort trafen die Mitglieder der Lebenshilfe-Geschäftsführung, Dirk Oßwald, Linda Hauk, Dr. Rebecca Neuburger-Hees und Stefanie Wiesenberg (Burg Nordeck), sowie Diakonie-Chefin Sigrid Unglaub auf rund 50 Bewerber*innen auf 14 freie Stellen in den Lebenshilfe- und Diakonie-Kitas sowie in der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung Burg Nordeck.
Bundesweites Pilotprojekt gegen Fachkräftemangel
„Es war ein Testlauf und für alle neu. Wir sind deutschlandweit einer der ersten sozialen Träger, der pädagogische Fachkräfte im Ausland anwirbt. Wir betrachten es als eine wichtige von vielen Maßnahmen, wozu beispielsweise auch eine verstärkte Erzieher-Ausbildung oder die Förderung von Quereinsteigern daheim zählen. Der Fachkräftemangel ist im pädagogischen Bereich heute leider bereits größer als in der Pflege, was in der Öffentlichkeit kaum bekannt ist, uns und den Kollegen in den Kitas aber wegen zahlreicher offener Stellen täglich zunehmend belastet“, berichtet Oßwald. Sigrid Unglaub erklärt: „Aufgrund des aktuellen Fachkräftemangels und der Tatsache, dass die Ausbildung von Quereinsteigern für die aktuelle Situation nicht zeitnah genug möglich ist, sind wir sehr froh, dass wir die Möglichkeit haben, gemeinsam mit dem Sprachportal Gießen und der Lebenshilfe Gießen neue Wege im Anwerben von Fachkräften entwickeln zu können.“
Die Recruiting-Veranstaltung in einem Istanbuler Hotel startete mit einer allgemeinen Vorstellung zur Lebenshilfe beziehungsweise Diakonie. Das Lebenshilfe-Geschäftsführungsteam hatte hierzu unter anderem vorab erstellte Videos zur Burg Nordeck und zum Bereich Kindertagesstätten, aber auch über die Region Gießen im Allgemeinen mitgebracht. Nach einer Fragerunde erfolgten die eigentlichen Vorstellungsgespräche, die von Dolmetschern des Sprachportals Gießen – dem lokalen Kooperationspartner in Sachen Personalakquise in der Türkei – begleitet wurden und von denen sich die Gäste aus Deutschland sehr angetan zeigten.
Bewerber*innen verfügen in der Regel über vierjähriges Studium
Lebenshilfe-Personalchefin Linda Hauk resümiert: „Wir hatten viele interessante Gespräche mit sehr engagierten Kandidaten, die sich uns auf einem sehr hohen fachlichen Niveau vorgestellt, aber auch selbst viele Fragen an uns gerichtet haben.“ Dem stimmt auch Dr. Rebecca Neuburger-Hees, neben ihrer Funktion als Geschäftsführungsmitglied auch Lebenshilfe-Bereichsleitung Kindertagesstätten sowie Kinder- und Familienzentren, zu: „Alle Bewerber*innen verfügten in der Regel über ein vierjähriges Studium und bringen viel Expertise mit. Spannend waren zudem der Vergleich und Austausch hinsichtlich der länderspezifischen Unterschiede in Sachen Jugendhilfe oder frühkindlicher Erziehung. Wir haben eine große Anerkennung für die das System der frühkindlichen Bildung und Betreuung in Deutschland vernommen.“
Insgesamt entschied sich die Lebenshilfe Gießen vor Ort für zunächst acht Bewerber*innen für ihre Kindertagesstätten sowie für zwei bis drei Bewerber*innen für die Burg Nordeck, die Diakonie ebenso für zwei Bewerber*innen. Jetzt hofft man auf eine baldige Zusage der genannten Personen.
Vor Ort konnten die Bewerber*innen auch schon einmal mit dem neuen Integrationsbeauftragten der Lebenshilfe, Hakim Rasho, in Kontakt treten. Der Sachbearbeiter in der Personalabteilung mit syrischen Wurzeln wird mit den angehenden Lebenshilfe-Mitarbeiter*innen bereits vor ihrer Ankunft in Deutschland im Austausch stehen, diese aber natürlich später auch in Mittelhessen begleiten und unterstützen. Zunächst einmal gilt es für die ausgewählten Pädagog*innen im kommenden halben Jahr in Istanbul ein B1-Zertifikat zur Erlangung erster Deutschkenntnisse zu erreichen. Nach der für Herbst 2023 geplanten Ankunft in Deutschland wird dann berufsbegleitend das B2-Zertifikat erworben, das für die Anerkennung als Fachkraft nötig ist.
Voraussetzungen für gutes Gelingen werden geschaffen
Linda Hauk betont, dass sowohl das Wohl und die Belange der zukünftigen Mitarbeiter*innen bereits heute stark im Fokus stehen, aber beispielsweise auch die pädagogischen Teams der Lebenshilfe gut auf die Zusammenarbeit mit den neuen Kolleg*innen, die sich auf mehrere Einrichtungen verteilen werden, vorbereitet werden: „Unser Ansinnen ist es, alle Kolleg*inne zu sensibilisieren und natürlich auch die Eltern über die nächsten Schritte aufzuklären, denn gerade zu Beginn wird es sicherlich noch Sprachbarrieren geben. Mit den neuen Mitarbeiter*innen aus der Türkei bleiben wir ferner im regen Austausch und gehen auch auf individuelle Bedarfe für den anstehenden Aufenthalt in Deutschland, für den wir natürlich auch Unterkünfte stellen werden, ein.“
Sigrid Unglaub erklärt abschließend: „Vor Ort konnten wir uns von der hohen Fachlichkeit der Bewerber*innen überzeugen und freuen uns diese möglichst zeitnah in Gießen begrüßen zu dürfen.“ Dirk Oßwald merkt zudem an: „Wir haben sehr kompetente und freundliche Bewerber*innen in Istanbul kennengelernt und sind uns sicher, dass sie für unsere Arbeit in Mittelhessen nicht nur ein Strohhalm im Kampf gegen den Fachkräftemangel sind, sondern perspektivisch eine wirkliche menschliche und kollegiale Bereicherung. Dass wir dieses Ziel für alle Seiten bestmöglich erreichen, daran arbeiten wir.“
Weitere Informationen zur Lebenshilfe Gießen unter www.lebenshife-giessen.de, weitere Informationen zur Diakonie Gießen unter www.diakonie-giessen.de.