Vortrag von Stephan Brakensiek im Oberhessischen Geschichtsverein
Geplant war er schon für 2020, aber erst im vierten Versuch fand er nach dem erhofften Ende der Pandemie statt, der Vortrag des Trierer Kustos Stephan Brakensiek, mit dem er neue Perspektiven auf den aus der Biebertaler Obermühle stammenden Joihann Georg Wille versprach. Im Netanyasaal des Alten Schlosses freute sich Dr. Michael Breitbach, der Vorsitzende des OHGV ,über den guten Besuch beim letzten Vortrag des Winterhalbjahres. Er verwies auf die 133 im Besitz des Oberhessischen Museums befindlichen Blätter des Kupferstechers Wille und die Ausstellung vor wenigen Jahren in Wetzlar, würdigte einige in Gießen entstandene Forschungsarbeiten zu diesem “alten Meister” und versprach neue Perspektiven, die Brakensiek mit seiner Forschung über den “Künstler als Sammler” erarbeitet habe.
Brakensiek erinnerte daran, dass Paris bereits unter Ludwig XIV. zur geschmacksbildenden Institution in Europa geworden sei, wobei fortschrittliche Sammlungen auch zur Repräsentation eigener Bedeutung dienten. Im Zuge einer “Verbürgerlichung der Kunst” bildete sich eine Enrwicklung aus, die fort von der Historienmalerei hin zu Landschaft und Genre führte. Besonders gefragt waren niederländische Maler, so dass sogar vom “Hollandismus” oder gar “Rembrandtismus” die Rede war. Genau zu dieser Zeit zwischen 1770 und 1780 war Johann Georg Wille in der französischen Hauptstadt und erlebte die am weitesten verbreitete Kunstform der Aufklärung. Er war nicht nur als meisterlicher Kupferstecher von europäischer Bedeutung, Zeichner und Lehrer gefragt, sondern wurde auch Sammler und letztlich gefragter Berater in Kreisen von Kunstfreunden und Sammlern. Nach Brakensieps Einschätzung stand Wille als gefragte Autorität im Zentrum eines Netzwerkes und bekannte nach dem Erwerb eines Bildes, sich als “der glücklichste Mensch der Welt” gefühlt zu haben.
Aus der Sicht des Referenten war Wille “in jedem Fall ein anspruchsvoller Sammler, der bereit war, wenn er etwas mochte, auch entsprechend zu zahlen”. Als Wille seine Sammlung auflöste, stand ein opulenter Auktionskalog zur Verfügung, erstellt durch einen Freund und Kenner, erschienen 1784. Ausführlich widmete sich Brakensiek einzelnen Werken wie etwa “Der Tod des Marcus Antonius” und ihrer Bedeutung für den Künstler, der nur noch einmal nach Deutschland kam. Der gebürtige Oberhesse erhielt zahlreiche Ehrungen, wurde Mitglied der” académie francaise” und von Napoleon Bonaparte zum “Ritter der Ehrenlegion” ernannt. Wille wohnte eine Zeit neben Diderot und die ersten Jahre mit Georg Friedrich Schmidt, Künstlerkollege und Freund fürs Leben. Herder führte er in die Pariser Kunstszene ein. In seinem opulent illustrierten Vortrag zeigte der Vortragende verschiedene Ansätze zur weiteren wissenschaftlichen Arbeit über diesen bedeutenden deutsch-französischen Künstler auf, der völlig verarmt und fast blind im Alter von 93 Jahren verstarb .Ein Medaillon an der Fassade der alten Hamburger Kunsthalle erinnert noch an den genialen Kupferstecher und Kunsthändler und natürlich sein Porträt, ein Ölgemälde seines Künstlerfreundes Jean Baptiste Greuze.
Viel Applaus für einen Vortrag, der insbesondere Kunstfreunde begeistern konnte.
Text und Bild: Dr. Hans-Wolfgang Steffek M.A.