Martina Lennartz verlässt die Fraktion „Gießener Linke“

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 oder „Ende der Zusammenarbeit mit den Linken in der Fraktion“

 

Sie wäre gern weiter bereit gewesen, trotz aller Schwierigkeiten und Gegensätze, gemeinsam um eine fortschrittliche Politik in Gießen zu ringen. Da die Koalition dazu nicht bereit ist, wird sie ohne Tränen zu vergießen weiter ziehen.  „Ich ziehe einen Schlussstrich unter die ständigen Anfeindungen und absichtlichen Fehlinterpretationen innerhalb der Gießener Regierungskoalition. Mit Wirkung zum 1. April 2022 werde ich fraktionslose Abgeordnete und werde damit mein Mandat behalten. Immerhin haben mich viele Wähler und Wählerinnen mit bestimmten Erwartungen, nämlich ihre Interessen zu vertreten, gewählt“, so Martina Lennartz.

 

Anlass der Auseinandersetzung war ein Redebeitrag zu der Resolution im Parlament „Pandemie bekämpfen – Gesellschaftlicher Zusammenhalt statt Polarisierung!“ Lennartz erklärte bei der Sitzung, warum sie sich enthalten werde. In der Rede ging es um die Feststellung, wenn die Mehrheit des Stadtparlaments ernsthaft etwas gegen die  Querdenker/ Corona-Leugner-Bewegung tun wolle, dann müsste sie zunächst die Ursachen für deren Entstehung analysieren. Dazu gehört die Erkenntnis, dass diese Bewegung nur ein Symptom einer schon länger stattfindenden gesellschaftlichen Entwicklung und die Coronapandemie nur ein Verstärker dieser Entwicklung ist. Sie  beschreibt in ihrer Rede diese Entwicklung und hat darauf hingewiesen, dass  seit Jahrzehnten eine Polarisierung der Gesellschaft in Arm und Reich stattfindet. Die Folge ist ein Aufstieg irrationaler Ideologien und damit zum Erstarken faschistischer bzw. rechter Gruppierungen führt.

Diese Erkenntnis war einmal Gemeingut in der SPD! Noch einzelne Abgeordnete der SPD gehören eigentlich einer Generation der SPD an, welche noch wusste, dass es einen Zusammenhang zwischen der Rechtsentwicklung in der Gesellschaft und dem Sozialabbau im Kapitalismus gibt.

Der zweite zentrale Kritikpunkt an der Resolution aus Sicht der DKP ist, dass diese die Selbstinszenierung vom rechten Teil der Querdenker/ Corona-Leugner-Bewegung unreflektiert aufgreift. Die moralische Empörung darüber, dass sich diese mit der verfolgten jüdischen Bevölkerung im Faschismus gleichsetzt oder sich in der Tradition der Montagsdemonstrations-Bewegung in der DDR sieht, hilft in der politischen Auseinandersetzung wenig. Anstatt sich hier in allgemeinen Floskeln zu ergehen, hätte die Resolution besser die Ursachen in der Polarisierung in der Gesellschaft benennen und konkrete Verbesserung für die Betroffenen in der Pandemie sowie Beschäftigte im Pflegebereich einfordern sollen. Diese Chance hat die Mehrheit des Stadtparlaments am 17. Februar vertan. Daher hat sich Martina Lennartz für die DKP bei der Abstimmung enthalten.

„Einer Abgeordneten muss überlassen sein, was sie redet«, argumentierte Helmut Appel, der Sprecher des Kommunalpolitischen Arbeitskreises der DKP. Die Rede sei allerdings nur das I-Tüpfelchen gewesen. Anderenfalls hätten die Partner einen anderen Grund gefunden, sich von der Stadtverordneten zu trennen. Lennartz habe im Übrigen von Anfang an gesagt, dass man sich darauf einstellen müsse, dass sie nicht dem Fraktionszwang unterliege.

Verschiedene Gründe zum Verlassen der Fraktion hatte es ohnehin mehr als genug gegeben:

  1. Laut des frisch gewählten Bürgermeister Alexander Wright (Grüne) sei die Koalition nicht auf die Stimme von Martina Lennartz angewiesen. Diese Meinung zog sich wie ein roter Faden seit Beginn der Koalition. Den nötigen Rückhalt bzw. klare Worte gegenüber den Grünen gab es  seitens der Fraktion Gießener Linke nicht. Gleichwohl hat Martina Lennartz bei allen wichtigen Vorhaben der Koalition mitgestimmt.
  2. Der grüne Antikommunismus zeigte sich auch in der Nichtehrung der kommunistischen Widerstandskämpferin Ria Deeg, bei der sie vehement dagegen stimmten.
  3. Der Nichtwahl von Helmut Appel in den Magistrat, da laut Wright es keine DKP im Magistrat geben soll. Helmut Appel war als Kandidat des Linkes Bündnisses von der Gießener Linke für den ehrenamtlichen Magistrat nominiert.

Die DKP Gießen hat im letzten Jahr den vorgelegten Vertrag von Grünen, SPD und der Gießener Linken zugestimmt. Wir betrachten uns weiterhin als einen Teil des Wahlbündnisses „Gießener Linke“, das aus der Partei ‚Die Linke‘, der DKP und dem ‚Linken Bündnis‘ besteht“, sagte Martina Lennartz. Sie werde auch weiterhin Vorhaben und Anträgen der Koalition zustimmen, soweit sie dem aktuellen Koalitionsvertrag entsprechen. Es sei bedauerlich, dass die restliche Fraktion der „Gießener Linken“ dem Druck der Grünen und der SPD nicht standhält. „Die DKP und ich stehen für Inhalte, nicht für Regierungsbeteiligung um jeden politischen Preis. Wir freuen uns daher schon auf die kommende Rolle als linke Opposition“, stellte Lennartz fest.

 

 

 

1 Kommentar

  1. Liebe Artikeleinstellerin

    Danke für den interessanten Beitrag.

    Dazu ist eigentlich recht viel zu sagen, aber das geht halt nicht in einem Kommentar.

    Ich will mich auf vier Bereiche beschränken.

    A.
    “Lebt” die Giessener Linke noch oder ist sie ein Papiertiger?
    Sprich: Ist diese Wählergemeinschaft (fast) nur noch die Partei “Die Linke”?

    Ein Teil (die Partei “Die Linke”) bestimmt in der praktischen Politik der Wählergemeinschaft
    (fast) Alles. D.h. die zwei Anderen (DKP bzw. Linkes Bündnis) werden – noch harmlos ausgedrückt – bevormundet. Bei den Linken sollte aber eine Konstellation “Herr und Knecht” nicht betrieben werden.

    Wäre es schon deswegen (ohne auf die verschiedenen Inhalte der “drei” will ich nicht
    eingehen) nicht sinnvoll das Bündnis zu begraben?

    B.
    Wie konnte es kommen, dass der Ortsverein einer Partei mit dem Titel “Die Linke” auch auf
    das Mantra des bürgerlichen Blockes “Wir alle sind Anti-Kommunisten” eingeschwenkt sind?

    Hinter dieser Frage steht Grundsätzliches: Bin ich bereit mich als Linker vom bürgerlichen
    Block erpressen zu lassen (um bestimmte Dinge, die ich dem Wähler versprochen habe
    zu versuchen durchzusetzen) oder lasse ich mich nicht erpressen und kämpfe ich dafür,
    dass die linke Kräfte (ohne den bürgerlichen Block) – irgendwann – die Mehrheit haben.

    C.
    Ist es ein “belastbarer” Hypothese, dass diese Entwicklung zeigt, dass auch im
    linken Lager Kräfte herangewachsen sind, denen es in erster Linie um viel Aufwands-
    entschädigung bzw. gut bezahlte Staatsstellen geht, anstatt um politische Inhalte?

    Komme mir diesbezüglich keiner, dass es Beides zusammen geben kann. Völliger Unfug:
    Entweder du kämpst gegen den bürgerlichen Block auf allen Ebenen oder du lässt dich
    durch Geld aus diesen Kreisen kaufen. Übrigens deswegen bin ich seit Jahren dagegen,
    dass die Aufwandsentschädigungen “durch die Decken schiessen” bzw. dass städtische
    Stellen an Mitglieder von Parteien oder Wählergemeinschaften des Stadtparlamentes
    – anstatt an Parteilosen -vergeben werden.
    Die alte Weisheit dahinter lautet: Wes Brot ich essen, des Lied ich singe.

    D.
    War es wirklich eine gute Idee als linke Kraft in eine bürgerliche Regierung einzutreten?

    Ich finde nein!

    Um es umgangssprachlich zu formulieren: Du kannst noch so viel Parfüm auf die Sch. kippen; die Sch. bleibt Sch.!

    Diesbezüglich erlaube ich mir auf die geschichtliche Tatsachen kurz hinzuweisen.

    In den 60er wurde die Parole aufgestellt: Marsch durch die Institutionen?

    Was ist dabei raus gekommen (Ausnahmen bestätigen die Regel): Die Marschierer sind
    von links unten nach rechts oben gelaufen. Was wurde damit gewonnen?