„Trümmerland“ von Sabine Hofmann. – Bochum 1945. Die Versorgungslage der Menschen ist katastrophal. Beim Durchstreifen der Ruinen stößt die 12jährige Hella auf einen Toten. Sie drückt ihm die Augen zu, faltet seine Hände und nimmt trotz erheblicher Gewissensbisse seinen Wintermantel mit. Zu Hause entdecken ihre Mutter und die eingewiesene Mitbewohnerin im Futter des Kleidungsstücks 5 Bezugsscheine für je einen Zentner Butter. Ein wahrer Schatz in dieser Zeit. Doch wie damit umgehen? Der Spannungsbogen ist hoch und weit gespannt in diesem Roman: Schwarzmarktgeschäfte, Mordermittlungen, untergetauchte Naziverbrecher und mehr. Die Autorin vermag es bestens die Nachkriegszeit im Ruhrgebiet bildhaft darzustellen. Bald wird sich kaum noch jemand an die „schlechte Zeit“ erinnern. Romane wie dieser sollten uns mahnen, sie niemals zu vergessen.
„Die Hafenschwester – Als wir an die Zukunft glaubten“ von Melanie Metzenthin ist der 3. und abschließende Teil der Geschichte von Martha Staudt, ihrer Familie und ihren Freunden von 1923 bis 1955. Nach der Hyperinflation, während der mit Schubkarren voller Geld Brot gekauft werden musste, geht es endlich wieder aufwärts mit den Lebensbedingungen. Doch schon bald ziehen die ersten braunen Wolken am Horizont auf. Wir Leser leben und leiden vorwiegend mit Marthas Kindern Rudi, Fredi und Ella durch Nazizeit und 2. Weltkrieg. Und wir müssen Abschied nehmen von einigen anderen in Teil 1 und 2 liebgewonnenen Personen. Tatsächlich flossen bei mir ein paar Tränen bei der Lektüre. Eine bewegende Familiengeschichte mit hervorragend recherchiertem und beschriebenem politischen Hintergrund. Ein würdiger Abschluss der Reihe.
„Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid“ von Alena Schröder. – Die 27jährige Hannah erfährt durch einen Anwaltsbrief aus Israel, dass sie Erbin eines in der Nazizeit geraubten, aber leider bis jetzt verschollenen Kunstvermögens ist. Die junge Frau hatte bisher nie von jüdischen Wurzeln in ihrer Familie gehört. Mutter Silvia kann nicht mehr befragt werden, sie ist verstorben. Die hochbetagte Großmutter Evelyn will darüber nicht reden. Hannah begibt sich auf Spurensuche. Ein spannender, bewegender, tiefgründiger und sehr gut geschriebener 4-Generationen-Roman. Habe ich gerne gelesen.
Ein paar Jahre zurück in der Zeit spielt „Die Totenärztin – Wiener Blut“ von René Anour. Wien 1908. Fanny Goldmann hat Medizin studiert und promoviert, was schwierig genug war zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Sie will als Pathologin in der Gerichtsmedizin arbeiten, doch lässt man sie neben den „richtigen“ Ärzten, Männern eben, als Prosekturgehilfen nur Handlangerdienste tun. Als sie eigenmächtig eine Obduktion durchführt und dabei herausfindet, dass ein angeblich obdachloser Toter, mit Morphin vergiftet wurde, sticht sie in ein Wespennest. Nach einem weiteren Mord steckt sie mitten in einer tödlichen Verschwörung, in der auch die Diamantsterne der ermordeten Kaiserin Sissi eine Rolle haben. Anfangs wirkt Fanny, die ihre Neugier immer wieder in kuriose und gefährliche Situationen bringt, sehr naiv – vermutlich waren die jungen Damen um die Jahrhundertwende eben so – doch sie kann sich zunehmend in der Männerwelt behaupten. Der Roman endet mit einem Cliffhanger, dessen Auflösung erst in Teil 2 erfolgen wird. Zum Glück lässt der nicht mehr lange auf sich warten (Mitte Oktober).
Und noch ein Krimi mehr: „Adria Mortale – Bittersüßer Tod“ von Margherita Giovanni (Pseudonym von Brigitte Pons). – Eine trotz Mord recht vergnügliche, interessante, aber auch ziemlich verwickelte Geschichte. Handlungsort: ein kleines Dorf an der Adria nahe Pesaro. Handlungszeit: 1958 als Italien mehr und mehr als Urlaubsland in Mode kam. Nett. Empfehlenswert ist es, wenn man sich eine Personenliste erstellt, um nicht den Überblick zu verlieren.