Inklusion braucht Vernetzung – Lebenshilfe-Inklusionsfirma proLiLo Gastrowelt zeigt, wie man Menschen mit Behinderung auf den ersten Arbeitsmarkt bringt

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Konnten sich beim Grillen von der Qualität des proLiLo-Essens überzeugen: v. l. n. r (hintere Reihe): Petra Emin (Lebenshilfe Gießen), Swen Groß (proLiLo), Albrecht Fritz (FW), Beigeordneter Dieter Schütz, Michael Thiele (Bündnis 90/Die Grünen), Landesdirektorin Susanne Selbert, Präsident Friedel Kopp, Stephan Aurand (SPD); vordere Reihe: Rika Esser (Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung), Erster Beigeordneter Dr. Andreas Jürgens. Die Masken wurden für das Foto im Freien von den vollständig geimpften Personen abgenommen.

Giessen (-). Die Koalitionsfraktionen des Landeswohlfahrtsverbandes (LWV) Hessen, bestehend aus den Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Freie Wähler, besuchten zum Abschluss ihrer diesjährigen Studienfahrt die Inklusionsfirma proLiLo Gastrowelt gGmbH, eine Tochtergesellschaft der Lebenshilfe Gießen. Die Studienfahrt widmete sich dem Thema „Arbeit und Beschäftigung in Hessen“, wobei Informationen über alternative Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung im Fokus standen.

Ort der Veranstaltung war die Betriebskantine der Agentur für Arbeit in der Gießener Nordanlage. Swen Groß, Geschäftsführer der proLiLo Gastrowelt, gab den Vertreter*innen des LWV einen Überblick über die Entstehungsgeschichte, Aufgaben und Ziele des Inklusionsbetriebes. Zu den rund 40 Gästen zählten neben den vier Koalitionsfraktionen auch der Präsident des LWV, Friedel Kopp (FW) und die hauptamtliche Verwaltungsspitze mit Landesdirektorin Susanne Selbert (SPD), Erstem Beigeordneten Dr. Andreas Jürgens (Bündnis 90/Die Grünen) und Beigeordnetem Dieter Schütz (FDP).

Aktuell betreibt die proLiLo Gastrowelt in einem Radius von 50 Kilometern um Gießen 14 Schul- und Betriebskantinen mit insgesamt 53 Beschäftigten, davon 26 mit Handicap. Erfolgsrezept der expandierenden Inklusionsfirma, so zeigte sich im Verlaufe der dreistündigen Veranstaltung mit angeregter Diskussion, ist der Aufbau eines Netzwerkes aus engagierten Akteur*innen, die Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt sozialversicherungspflichtig beschäftigen wollen.

Volker Dörr, Personalleiter der Agentur für Arbeit, ist nicht nur bekennender Stammesser in der proLiLo-Kantine, sondern Teil des beschriebenen Netzwerks. Er ist – zusammen mit vielen anderen Unternehmenschefs – ein wichtiger Multiplikator für den inklusiven Gedanken auf dem Arbeitsmarkt: „Für uns als Agentur für Arbeit passt es wie die Faust aufs Auge, dass unsere Kantine von der proLiLo Gastrowelt betrieben wird.“ Schließlich hat die Agentur für Arbeit am Standort Gießen beim Personal eine Schwerbehinderten-Quote von 13,5 Prozent. Neben dem Erhalt von Kantinen als Ort der Verpflegung und des sozialen Austauschs geht es gerade großen Unternehmen auch um ihr Image als inklusionsfördernder Betrieb.

Die Koalitionsfraktionen des LWV bekräftigten ihr Anliegen, dass öffentliche Verwaltungen und große Unternehmen Menschen mit Behinderung einstellen, statt Ausgleichsabgaben zu zahlen. Petra Emin, Leiterin des Fachdienstes Berufliche Integration bei der Lebenshilfe Gießen, kritisierte, dass die vorhandenen Instrumente zur Beschäftigungsförderung nicht ausreichend bekannt sind: „Jede öffentliche Verwaltung sollte ein Budget für Arbeit einrichten. Die Verpflichtung ist der richtige Weg, um das Instrument zu stärken.“ Über das Budget für Arbeit werden Menschen mit Behinderung, die einen Anspruch auf einen Werkstattarbeitsplatz haben, auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelt. Der LWV zahlt einen Lohnkostenzuschuss von bis zu 75 Prozent. Hessenweit gibt es im Öffentlichen Dienst nur fünf Budgets für Arbeit, insgesamt sind es in Hessen 104 – acht davon wurden von der Lebenshilfe Gießen vermittelt. Deswegen haben die LWV-Koalitionsfraktionen das Hessische Ministerium für Soziales und Integration aufgefordert, weitere Maßnahmen zur Beschäftigungsförderung von Menschen mit Handicap zu entwickeln. Diesen Auftrag nahm auch Rika Esser mit, die als Beauftragte der hessischen Landesregierung für Menschen mit Behinderung, an der Veranstaltung teilnahm.

Maren Müller-Erichsen, Aufsichtsratsvorsitzende der Lebenshilfe Gießen, zeigte sich „als Mutter“ von den Aktivitäten ihrer Tochtergesellschaft proLiLo Gastrowelt beeindruckt: „Es war schon immer mein Traum, Menschen mit Behinderung auf Arbeitsplätze außerhalb der Werkstätten zu vermitteln.“ Aktuell sind weitere Kantinen-Öffnungen in Vorbereitung. „Corona hat auch uns als Gastronomie-Unternehmen hart getroffen. Wir haben die schwierige Zeit genutzt, um innovative Projekte zu entwickeln. Als Inklusionsbetrieb in der Gastronomie ist es besonders wichtig, Ideen zu entwickeln, die Menschen mit Behinderung auch in Zeiten von Corona in Arbeit bringt“, beschreibt Swen Groß die Herausforderungen für seinen Betrieb.

Neuestes Projekt ist deswegen ein Food-Truck, der mit Unterstützung des LWV finanziert wird. Mit dem Food-Truck können zwei neue Arbeitsplätze für Menschen mit Handicap geschaffen werden – und zwar unabhängig vom Kantinenbetrieb.

Kontakt:
proLiLo Gastrowelt gGmbH, Birte Kuhlmann (Betriebsleiterin), Telefon: 06404/804-291,
E-Mail: b.kuhlmann@prolilo.de

 

Lebenshilfe Gießen
Die Lebenshilfe Gießen e.V. ist ein gemeinnütziges Unternehmen und begleitet über 3000 Menschen mit und ohne Behinderung in ein selbstbestimmtes Leben.

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