„Stay away from Gretchen – eine unmögliche Liebe“ von Susanne Abel. – Das bequeme Leben des bekannten Nachrichtensprechers Thomas Monderath, Single mit wechselnden One-Night-Stands und dem Alkohol nicht abgeneigt, gerät aus den Fugen als bei seiner 84-jährigen Mutter Greta Alzheimer diagnostiziert wird. Als er beim Aufräumen ihrer Sachen das Foto eines kleinen Mädchens mit dunkler Hautfarbe entdeckt und nachfragt, weckt er bei Greta lange versteckte Erinnerungen. Er beginnt zu recherchieren und stößt auf eine erschütternde Geschichte. Ein sehr berührender Roman, der über ein Kapitel der deutsch/amerikanischen Nachkriegsgeschichte berichtet, die ich nicht kannte. Von Besatzungskindern hat wohl jeder irgendwann gehört, kennt vielleicht auch welche, aber von dem ganz besonderen tragischen Schicksal der farbigen Kinder, der sogenannten „Brown Babies“, wusste ich nichts. Den Spielfilm „Toxi“ aus dem Jahr 1952 hatte ich vor Jahrzehnten gesehen. Ein Film mit Happy End: das kleine Mädchen – die Mutter ist verstorben – wird von seinem Vater, einem farbigen Soldaten, in die USA geholt. Leider hatten die meisten dieser Kinder nicht so viel Glück. Viele wurden ihren Müttern weggenommen, in Heimen untergebracht oder zwangsadoptiert. Ein lebenslanges Trauma für alle Beteiligten. Der Roman ist hervorragend recherchiert, doch das Ende erscheint mir persönlich etwas märchenhaft: „Wenn sie nicht gestorben sind …“. Dennoch unbedingt lesenswert.
„Nebel“ von Ragnar Jónasson. – Der letzte Teil der rückwärts erzählten Trilogie um Hulda Hermannsdòttir. Die Polizistin hat gerade einen schweren familiären Schicksalsschlag erlitten, da wird sie von ihrem Vorgesetzten in den eisigen, schneereichen Osten Islands entsandt, wo auf einem Bauernhof 2 Tote entdeckt wurden. Während der Weihnachtstage muss sich in dem abgelegen Haus ein Drama abgespielt haben. Nach und nach stellt sich heraus, dass diese üble Geschichte mit einem alten Fall zu tun hat, der Hulda seit Monaten beschäftigt. Ein großartiger Abschluss der Reihe. Hier passt einfach alles.
„Tage der Schuld“ von Arnaldur Indriðason. – Kommissar Erlendur Sveinsson ist 1978 noch nicht lange bei der Kripo Reykjavík, aber er ist äußerst engagiert. Da er als Kind seinen Bruder in einen Schneesturm verloren hat, forscht er intensiv – auch in seiner Freizeit – nach vermissten Personen, derzeit nach einem jungen Mädchen, das im Jahr 1953 spurlos verschwand. Gegenwärtig geht es um einen Toten, den man in einem See fand, der aber vermutlich auf der amerikanischen Militärbasis ums Leben kam. Dort allerdings zeigt man sich wenig hilfreich gegenüber den isländischen Polizisten. Zwei komplizierte Fälle. Die Sache mit der Leiche aus dem See hat zudem politische Brisanz. Wegen der guten strategischen Lage der Insel war es durchaus vorstellbar, dass die Amis dort eine Atombombe stationieren könnten. Hatte der Ermordete vielleicht etwas gesehen, was geheim bleiben sollte?
„Was uns erinnern lässt“ von Kati Naumann. – 2017 führt das Hobby „Lost Places“ zu finden die alleinerziehende Anwaltssekretärin auf den Rennsteig im Thüringer Wald. Im ehemaligen Sperrgebiet entdeckt sie einen alten Keller und darin Hinterlassenschaften der Familie Dressel. Sie forscht nach Überlebenden und versucht ihnen dabei zu helfen, das Grundstück, von dem sie 1977 vertrieben und zwangsumgesiedelt wurden, wiederzuerlangen. Die einzelnen Kapitel des Romans wechseln zwischen Vergangenheit, angefangen 1945, und der Gegenwart. Für mich als „Wessi“ ist es schwer nachvollziehbar, welchen Repressalien DDR-Bürger, die nahe der innerdeutschen Grenze wohnten, ausgesetzt waren. Ein erschütternder Blick auf einen Teil deutscher Geschichte, von dem man viel zu wenig weiß.
„Eine Sehnsucht nach morgen“ von Eva Völler. – Der 3. Teil der Ruhrpottsaga spielt in den späten 1960er Jahren. Bärbel ist mittlerweile Ärztin und kehrt von Hamburg zurück nach Essen zu Vater, Schwester, Bruder und Schwager. Eine Begegnung mit dem mittlerweile unglücklich verheirateten Klaus, ihrer Jugendliebe, lässt sich nicht vermeiden. Was die sympathischen Protagonisten in der Zeit vom 1. 1. 1968 bis zur Mondlandung im Juli 1969 erleben ist spannend erzählt und mit viel Zeitkolorit gewürzt. Brisante Themen wie APO-Demonstrationen, der Contergan-Skandal und das damalige Scheidungsrecht mit Schuldfrage eingeschlossen. Leider ist es der letzte Teil der Reihe. Gerne hätte ich noch mehr davon gelesen.