Staufenberg/Giessen/Pohlheim (-). Der Wind fuhr durch das frische Grün der Obstbäume im Garten der Lebenshilfe-Wohnstätte Staufenberg. Auf der Terrasse der Wohnstätte bewegten sich neun Menschen mit und ohne Behinderung zur Musik aus einem Verstärker. Ein Tanz im Freien anlässlich des Welttanztages am 29. April. Geladen hatte Sabine Geier – sie leitet seit Ende 2019 das inklusive Tanzprojekt „MehrBewegen“ der Lebenshilfe Gießen.
An diesem alljährlichen Aktionstag, von der UNESCO im Jahr 1983 erstmals ausgerufen, sollen Barrieren abgebaut und Menschen mit der universellen Sprache des Tanzes zusammengebracht werden. Die fortschreitenden Impfungen für Menschen mit Behinderung und Test-Möglichkeiten ermöglichten es Sabine Geier, die Bewohner*innen mehrerer Wohnstätten – mit ausreichend Abstand – zu besuchen und im Freien zur gemeinsamen Bewegung anzuregen.
So auch in der Wohnstätte Staufenberg: Michael Flick und Carmen Förster waren zunächst noch etwas skeptisch und bewegten sich verhalten zur Musik. Als die Rhythmen schneller wurden und bekannte Melodien aus der Verstärker-Box schallten, gab es jedoch kein Halten mehr. Strahlende Gesichter, Leben im Moment: „Das ist genau das, was ich erreichen möchte. Tanz und Bewegung ist für alle da. Tanzen öffnet uns, macht uns wach für unsere Körper-Wahrnehmung und für die Wahrnehmung unseres Gegenübers – Tanzen verbindet“, erklärte Sabine Geier zwischen zwei Tanzschritten.
“So fröhlich und ausgelassen habe ich die Bewohner*innen in den letzten Monaten selten erlebt”
Danny Sterling machte vor Freude einen Luftsprung. Damit hatte niemand seiner Betreuer*innen gerechnet, denn seine Bewegungsabläufe sind durch Spastiken stark eingeschränkt. „Ich arbeite seit August in der Wohnstätte Staufenberg. So fröhlich und ausgelassen habe ich die Bewohner*innen in den letzten Monaten selten erlebt“, brachte Stacie Agyekum, Anerkennungspraktikantin, ihr Erstaunen über die Wirkung von Musik und Bewegung zum Ausdruck.
„Corona hat es uns schwer gemacht, mit dem von Aktion Mensch geförderten Projekt ‚MehrBewegen‘ voll durchzustarten. Deswegen habe ich mir in den letzten Monaten alternative Formate, wie zum Beispiel die Film-Reihe ‚DisTanz‘, überlegt. In den Filmen geben wir Bewegungsanleitungen, die in den Wohnstätten genutzt werden. Ich bin froh, dass ich jetzt wieder die Möglichkeit habe – wenigstens mit einzelnen Aktionen wie dieser – in direkten Kontakt mit Menschen mit und ohne Handicap zu kommen“, beschrieb Sabine Geier die aktuelle Situation ihres Projektes.
Nächster Stopp: Sabine Geier breitete das Welttanztag-Transparent als Tischdecke über die Gartentische in der Wohnstätte Kiesweg in Gießen-Wieseck aus. Der Wind hatte eine Pause eingelegt. Die Sonne schien mit aller Kraft auf die Terrasse der Wohnstätte. Rund 10 Bewohner*innen warteten gespannt. Viele der Menschen hier sind schon seit Monaten zu Hause und freuen sich über jede Abwechslung. Jeder machte nach seinen Möglichkeiten mit – egal, ob stehend, laufend oder sitzend.
Dass Tanzen auch über die Mimik funktioniert, zeigte am Ende des Tages die Reaktion einiger Bewohner*innen der Wohnstätte Grüninger Weg in Garbenteich, die der Musik mit ihren Gesichtern folgten. Sie sind aufgrund ihrer Behinderung in ihrer Bewegung stark eingeschränkt. Aber ihre Gesichter leuchteten.
Weitere Informationen:
Sabine Geier, MehrBewegen
E-Mail: mehrbewegen@lebenshilfe-giessen.de